Auf den Spuren des Mittelalters: Mit der Kunsthistorikerin durch die Kaiserpfalz in Ingelheim

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Hier habe ich mich mit der Kunsthistorikerin Britta Schulze-Böhm getroffen, die seit vielen Jahren für die Forschungsstelle im Arbeitsbereich Wissensvermittlung arbeitet. Wir haben über die Geschichte der einzigartigen Pfalz in Ingelheim, besondere Grabungsmomente und ihren persönlichen Lieblingsort gesprochen.

Ein Palast im Wohngebiet

Am Heidesheimer Tor, einem von drei großen Denkmalbereichen der Kaiserpfalz in Ingelheim, bin ich mit Britta Schulze-Böhm verabredet. Mein Weg dorthin führt mitten durch ein auf den ersten Blick unscheinbares Wohngebiet. Immer wieder aber entdecke ich zwischen gewöhnlichen Wohnhäusern ganz und gar ungewöhnliche Mauerwerke. Kaum zu glauben, dass sich hier einst eine prächtige Palastanlage befand – und doch wird genau das mit jedem Schritt evidenter.

Die sympathische Kunsthistorikerin erklärt mir, was es mit dem Ort auf sich hat, den Karl der Große um 800 n. Chr. erbauen ließ. Bedeutende Herrscher des frühen Mittelalters hätten sich stets auf Reisen befunden und deshalb zahlreiche Stützpunkte in ihren Reichen geschaffen. Sie haben eine Art „Hotelfunktion“ gehabt und gleichzeitig als Bühnen der Machtdemonstration gedient. Man habe Versammlungen einberufen, Gericht gehalten und Recht gesprochen. „Hier wurde Politik gemacht“, betont sie.

Auf historischem Boden

Mittelalterliche Pfalzen habe es zur Regierungszeit Karls des Großen also viele gegeben, sagt Britta Schulze-Böhm, aber nur bei wenigen wisse man, wo genau sie gelegen waren. Allein aus diesem Grund sei die Kaiserpfalz in Ingelheim eine echte Besonderheit. Ich lerne schnell, dass es nicht der Einzige ist. „Dass hier in Mitteleuropa aus der Zeit um 800 überhaupt noch aufrechtstehendes Mauerwerk erhalten ist, ist eine große Seltenheit“, schwärmt die Kunsthistorikerin und deutet auf die Halbkreisarchitektur um uns herum.

Die freigelegten, verschiedenfarbigen Steine des Heidesheimer Tores zeugen von den unterschiedlichen Baumaterialien der Region um Ingelheim, die hier vor etlichen Jahren verwendet wurden. Wir steigen ein paar Stufen hinab und befinden uns etwa 1,50 Meter unter dem heutigen Straßenniveau auf historischem Bodenniveau. „So können Besucher wunderbar erfahren, wie groß die mittelalterlichen Gebäude wirklich waren“, begründet sie die Gestaltung des Denkmalbereichs.

Wertvoller als Gold und Silber

Während wir weiter durch die Kaiserpfalz spazieren, erzählt mir Britta Schulze-Böhm, was sie 2003 nach Ingelheim verschlug. „Tatsächlich bin ich durch die Grabungen hierhergekommen und habe einen Sommer lang richtig mitgebuddelt“, erinnert sie sich. Seit 1993 werde ununterbrochen gegraben. Der Kernbezirk im Wohngebiet sei vorerst fertiggestellt, aber an verschiedenen anderen Stellen in der Stadt gehe die wissenschaftliche Arbeit weiter, um ihre mittelalterliche Geschichte bestmöglich zu erforschen.

Ich frage nach ihrem Lieblingsfund und ob es sogar etwas sei, das sie selbst entdeckt habe. Da muss die Kunsthistorikerin lachen: „Also das, was ich gefunden habe, war nicht so spektakulär.“ Sie will mir aber ihr liebstes Fundstück zeigen und führt mich zielsicher zu einem weiteren bedeutenden Denkmalbereich der Kaiserpfalz in Ingelheim. Wir stehen mitten in der Aula regia, dem ehemaligen Thronsaal der Palastanlage, und lassen die Dimensionen des für damalige Verhältnisse ungeheuer großen Gebäudes auf uns wirken.

Schließlich zeigt Britta Schulze-Böhm auf einen künstlerisch verzierten Stein, der mir alleine wohl gar nicht aufgefallen wäre. „Die sogenannte Kämpferplatte ist ein Stück Bauskulptur, das seit 1.200 Jahren noch immer in der Originallage erhalten ist“, erklärt sie mit leuchtenden Augen. Der gewöhnlich lasttragende Stein lasse auf einen imposanten Rundbogen rückschließen. Sie zeigt mir eine Rekonstruktion, mit der ich mir die prächtige Architektur der Karolinger wunderbar vorstellen kann. „Schätze bedeuten für uns nicht immer nur Gold und Silber, sondern auch einfach Mauerwerke,“ schwärmt die Kunsthistorikerin.

Eine spannende Zeit

Nach ihrem schweißtreibenden Grabungssommer kehrte Britta Schulze-Böhm recht bald schon an die Forschungsstelle Kaiserpfalz zurück. Ihre Arbeit dort, die besondere Mischung aus archäologischer Forschung und Wissensvermittlung für die Öffentlichkeit, mache ihr besonders viel Spaß. „Es ist toll, dass man nicht in einem Elfenbeinturm sitzt, sondern dass wir hoffentlich viele Menschen für die sehr spannende Zeit des Mittelalters begeistern können“, sagt sie.

Wir stehen nun vor dem Besucherzentrum und Museum bei der Kaiserpfalz, das die offen zugänglichen Denkmalbereiche im Wohngebiet thematisch ergänzt. „Hier werden die wichtigsten Exponate ausgestellt, die wir im Außenbereich nicht zeigen können“, erklärt die Kunsthistorikerin und betont, dass beides sehr schön ineinandergreife. Das Museum beherbergt zum Beispiel die weltweit einzige Goldmünze mit einem Kaiserbild Karls des Großen, die bei Grabungen in Ingelheim gefunden wurde.

Ich blicke von hier aus zurück auf die umliegenden Wohnhäuser und frage mich, ob unter ihnen nicht noch viele weitere Schätze dieser Art verborgen liegen. Für Britta Schulze-Böhm stellt sich diese Frage nicht. „Wir sind hier mitten im Zentrum der mittelalterlichen Kaiserpfalz. Es ist völlig klar, dass überall im Boden noch Spuren sind“, sagt sie und ihre Augen leuchten bei diesem Gedanken wieder auf.

Euer Besuch der Kaiserpfalz in Ingelheim

Ihr könnt die beeindruckende Kaiserpfalz entweder auf eigene Faust entlang des Historischen Rundwegs oder im Rahmen einer Führung mit speziell ausgebildeten und regelmäßig geschulten Führern entdecken. Sie gehen gerne auch individuell auf Eure Wünsche ein. Die Öffnungszeiten des Besucherzentrums und Museums bei der Kaiserpfalz findet Ihr auf dieser Seite.

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Ich schreibe als externe Autorin für den Rheinhessen-Blog. Dafür habe ich meine Wanderschuhe angezogen, die Kamera eingepackt und auf den neuen Hiwweltouren tolle Eindrücke und Geschichten der Region aufgespürt, die ich gerne mit Euch teile.

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