Kultur auf dem Hof Dexheim
Dexheim, nur ein paar Autominuten von Nierstein entfernt. Ein schönes kleines rheinhessisches Rheindörfchen. Aber wer glaubt, dass sich hier Fuchs und Hase in den Weinbergen Gute Nacht sagen, hat weit gefehlt. Wolfgang Weyell betreibt hier seit 30 Jahren „Kultur auf dem Hof“ gemeinsam mit seiner Madeleine. Er ist auf dem Hof aufgewachsen, seine Eltern leben noch heute hier und helfen tatkräftig mit. Auch die beiden Söhne gehen zur Hand – ein richtiges Familienunternehmen. 300 Jahre ist das Weingut alt, aber von Staub, Spinnweben und Altbacken fehlt jede Spur. Über die Jahre hinweg wurde der Hof umgebaut und modernisiert, zuletzt mit Pavillon und einem Vorbau. Nicht zuletzt, um den wachsenden Gefahren der teils unberechenbaren Wetterverhältnisse entgegenzutreten. Eine der größten Herausforderungen in ihrer Arbeit, wie Wolfgang mir verrät.
60 Veranstaltungen finden mittlerweile pro Jahr bei Kultur auf dem Hof statt, an 50 Tagen ist zudem die Weinstube geöffnet, die vornehmlich von seine Frau Madeleine betreut wird. Nachdem zunächst nur Veranstaltungen im Hof stattfanden, musste für die kalte Jahreszeit eine Lösung her. Also wurde 1998 der Keller mit Platz für 120 Gäste ausgebaut und seitdem für Kabarettveranstaltungen genutzt. 2009 kam die Scheune mit einer kleinen Clubbühne dazu, in der sich bis zu 300 Feierwütige austoben können.
Aber wie kam der 60-Jährige überhaupt dazu, sich kulturell zu engagieren? Ursprünglich studierte er Sport und BWL, schloss zudem eine Banklehre ab. Schon immer ging er gerne auf Konzerte, interessierte sich für Musik. Für den Dexheimer Sportverein organisierte er Discos und Rockveranstaltungen. 1995 nahm das Schicksal dann seinen Lauf: Nachdem die alte Turnhalle abgerissen wurde, verlegte er diese Events anlässlich der Kerb zum ersten Mal in den Hof des Weinguts Weyell. Das lief so gut, dass sie das wiederholten und 1998 wagte Wolfgang dann den Schritt in die Selbstständigkeit. Was klein anfing, wurde schnell groß: Konnten die Künstleragenturen anfangs noch nichts dem Weingut aus Dexheim anfangen, hat sich der Kulturhof mittlerweile deutschlandweit zu einer festen Größe entwickelt. „Egal wo man in Deutschland unterwegs ist, gibt es immer Leute, die Dexheim kennen, weil sie schon mal hier bei uns waren“, sagt mir Wolfgang. Das habe man sich über 30 Jahre hinweg aufgebaut. Mittlerweile spielen Stars wie Michael Schulte und Max Giesinger auf dem Hof, Urban Priol machte hier damals seine ersten Schritte und ist heute, wie man so schön sagt, „eine große Nummer“. Und kommt trotzdem noch einmal im Jahr ins rheinhessische Dexheim auf den Hof. Einen Gast hat sich Wolfgang über viele Jahre gewünscht und sich bemüht, ihn ins Programm zu bringen: Chris de Burgh. Und irgendwann kam tatsächlich der ersehnte Anruf von der Agentur: Ein Stopp in Dexheim würde sich gut in den Tourplan des Iren einfügen – und so trat der Sänger tatsächlich im rheinhessischen Dexheim auf. Eine Tatsache, auf die Wolfgang bis heute stolz ist. Und auch andere Künstlerinnen und Künstler kommen immer wieder gerne auf den Hof und schätzen das besondere Ambiente. So auch die Comedians Torsten Sträter und Bülent Ceylan, die in der Regel vor größerem Publikum auftreten. Sie setzten sich allerdings gegen den Willen ihrer Agenturen durch und kamen wiederholt und auf eigenen Wunsch zu Kultur auf dem Hof.
Und ich verstehe, warum: Wolfgang Weyell ist ein geselliger, offener und bodenständiger Gastgeber, der gemeinsam mit seiner Frau und der Unterstützung seiner Familie einen Ort geschaffen hat, an dem sich die Gäste vollumfänglich wohlfühlen. Beim Programm ist für jeden etwas dabei – sowohl inhaltlich als auch kulinarisch. Neben den klassischen Musikveranstaltungen unterschiedlichster Genres, Kabarett und Parties setzt Wolfgang nun auch auf Kinderevents wie Heavysaurus oder die Mom’s Night Out, die vornehmlich einer seiner Söhne betreut. Kultur auf dem Hof verbindet auf dem 300 Jahre alten Weingut das Flair vergangener Zeit mit Geselligkeit und Lebensfreude. Nach unserem Gespräch, dass sich bald nicht nur um die Arbeit auf dem Hof, sondern um Literatur, das Reisen und das Leben dreht, werde ich mit einer freundschaftlichen Umarmung verabschiedet. Ich komme auf jeden Fall gerne wieder.
Veranstaltungstipps:
Kultur auf dem Hof:
Kabarett mit Rüdiger Hoffmann
Kabarett mit Tobias Mann
Mom`s Night Out (Fall Edition)
Gut Leben am Morstein
Die Sonne scheint durch die Blätter der Bäume, als ich an einem schönen Sommertag auf das Gut Leben am Morstein zufahre. Schon beim Passieren des Ortsschildes Westhofen merke ich: Hier betrete ich eine andere Welt, als wäre ich ein paar Jahrhunderte in die Vergangenheit befördert worden. Als würden sich Kutschen und Pferde besser in das Ortsbild einfügen, als moderne Autos und E-Roller es tun. Ein historisches Städtchen mit dem unnachahmlichen Flair vergangener Zeiten.
Stefan Spies, der Inhaber und Betreiber des Guts, und ich setzen uns im hauseigenen Restaurant an einen Tisch, umgeben von antiken Möbeln und Gemälden an der Wand. Mein Blick schweift während unseres Gesprächs immer wieder umher und bleibt an den vielen liebevoll arrangierten Details hängen. So auch an einem Gemälde eines Westhofener Künstlers von 1893, das hier hängt, seit das Gebäude fertiggestellt wurde. Und solche Geschichten beherbergt das Gut zu Hauf. Dieses bildet ein Ensemble aus verschiedenen Gebäuden, die teilweise noch aus dem 18. Jahrhundert stammen und zu dem unter anderem ein Hotel, Restaurant sowie Tagungsräume gehören. Und das Gut wächst: Aktuell läuft eine dritte Ausbaustufe, bei unserem Gespräch kommt Stefan Spies gerade von einer Baubesprechung. Er möchte im wahrsten Sinne des Wortes gestalten – ihn fasziniert bis heute der Reiz, aus der einstigen Ruine ein ansprechendes Objekt mit einem breit aufgestellten Angebot zu machen. Ursprünglich hatte er das Gut 2013 als Hobbyobjekt erworben, betreibt eigentlich eine Werbeagentur in Frankfurt. Vier Jahre später eröffnete er das Restaurant und den Gewölbekeller, kurz darauf folgten das Hotel und die Tagungsräume. Ebenjener Gewölbekeller mit seiner unglaublichen Akustik stellte auch den Ausgangspunkt dar, Kultur auf das Gut zu bringen – sie war also von Anfang an mit dabei. Er erinnerte Stefan Spies an das Mainzer Unterhaus und er dachte sich: „Hier muss Kultur stattfinden.“
Man könnte meinen, dass die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Auflagen bei Veranstaltungen einen Knick in dem sich gut entwickelnden Kulturzweig verursacht hätte. Aber ganz im Gegenteil: Stefan Spies und sein Team nutzten die Gunst der Stunde. Während um sie herum ein Großteil an Veranstaltungen abgesagt wurden, dachten sie sich: „Wir machen’s jetzt erst recht!“. Bis dahin fanden nur in der kalten Jahreszeit Veranstaltungen im Gewölbekeller statt. Nun aber wagte man zum ersten Mal den Schritt, das Morstein-Kulturfestival Open Air mit regionalen Künstlerinnen und Künstlern auf die Beine zu stellen – die natürlich dankbar waren, in diesen herausfordernden Zeiten eine Auftrittsmöglichkeit zu bekommen. Das Festival war ein voller Erfolg fand von da an jedes Jahr statt. In den vergangenen Jahren machten einige namhafte Künstlerinnen und Künstler halt auf dem Gut in Westhofen – etwa Wolfgang Niedecken von BAP und Konstantin Wecker. Sie schätzen das gute Essen, das familiäre Ambiente und den Kontakt zu den Gästen.
Die Gäste wiederum schätzen das breite Angebot des Guts „Leben am Morstein“: Von Konzerten unterschiedlichster Genres über Kabarett- und Comedy-Veranstaltungen bis hin zu Kulinarik und Parties ist alles im Portfolio vertreten. Komplettiert wird das Erlebnis durch ein Essen im hauseigenen Restaurant und einer Übernachtung im Hotel in besonderer Atmosphäre in einer blühenden, grünen Umgebung. Stefan Spies sagt: „Kultur macht mir einfach Freude.“ Und das merke ich auch im Gespräch mit ihm – seine Neugierde gegenüber Kunst und Kultur und den Menschen ist immer noch deutlich spürbar, die Augen leuchten, während er mir von seinen Ideen berichtet. Es gehe darum, sich zu für Neues und Unbekanntes zu öffnen. Zu Schulzeiten etwa fand er einst nicht den richtigen Zugang zur Klassik, empfand sie als sehr komplex. Mittlerweile liebt er sie.
Das Gut „Leben am Morstein“ bietet Kulturgenuss auf höchstem Niveau, ohne dabei pretentiös oder elitär zu wirken. Mit der Verbindung von Restaurant, Hotel und Kulturangebot stellt das Gut nicht nur einen attraktiven Ankerpunkt für Touristen dar, sondern auch einen Ort des Miteinanders für Gäste aus Rheinhessen und Umgebung. Es bleibt spannend, wie sich das Gut durch den unermüdlichen Tatendrang und die Begeisterung des Inhabers Stefan Spies weiterentwickelt – und ich freue mich, diese Veränderungen mitzuerleben und immer wieder privat wie beruflich vorbeizuschauen.
Veranstaltungstipp:
Gut Leben am Morstein:
From New York City to Morstein: The Daniel Glass Trio 09.10.25
The Cat Stevens Tribute Night
Thomas Sifflings Christmas Gala (feat. Menna Mulugeta)
Kulturhof Oma Inge
Wenn ich den Kulturhof Oma Inge in Schornsheim beschreiben müsste, würde ich wohl folgende Schlagworte wählen: bunt, offen, unkonventionell. Der Hof ist irgendwie ein bisschen von allem, vor allem aber ein wunderbares soziokulturelles Zentrum mitten in einer kleinen rheinhessischen Ortsgemeinde mit 1.600 Einwohnern.
Christina Bruns-Yilmaz und ihr Mann Ates betreiben den Hof gemeinnützig; sie arbeitet als internationale Projektleitung bei Boehringer Ingelheim, Ates ist beim Mainzer Staatstheater als Solo-Klarinettist und Education Beauftragter für das Orchester angestellt. Und diese Verbindung in die professionelle Welt der Musik und des Theaters zeigt sich auch in der Gestaltung des Hofes: In der Kulturscheune finden sich hie und da Requisiten, die die Räumlichkeiten zu etwas ganz Besonderem machen – es gibt immer etwas zu entdecken. Von einem meiner früheren Besuche ist mir etwa ein riesiger leuchtender Flamingo, der an der Wand im Theatersaal hing, in Erinnerung geblieben.
Sie stemmen das alles nebenbei – und sind dabei noch Eltern von sechs Kindern im Alter zwischen 18 und 30 Jahren. „Wir gehen einen Schritt nach dem anderen und sehen nicht den ganzen Berg“, so Christina auf die Frage, wie sie mit dem hohen Aufwand umgehen. Sie haben nicht den Anspruch an Perfektion, es soll einfach rund sein. Einer der Söhne ist gelernter Veranstaltungstechniker und unterstützt die Eltern bei Events, beim Licht erhalten sie ehrenamtliche Hilfe. Ansonsten greifen sie bei Engpässen auf ihr Netzwerk zurück. Das funktioniert auch deshalb, weil sie die Umstände bewusst simpel halten: Statt Eintrittskarten gibt es eine Liste, auf der die Anwesenden abgehakt werden, die Sitzplatzwahl ist den Gästen freigestellt. Das Motto: bewusst zwanglos und vor allem niedrigschwellig. Das zeigt sich nicht nur in der moderaten Preisstruktur, sondern auch in der Möglichkeit, im Anschluss an die Veranstaltungen mit den Künstlerinnen und Künstlern in Kontakt zu kommen.
Gekauft haben sie den Hof vor 10 Jahren und tauften ihn in Gedenken an die Vorbesitzerin „Oma Inge“. Schon damals war der Gedanke, daraus einen Ort der Begegnung zu machen. Gestartet sind sie mit internationalen Kochabenden und Schreibkursen. 2016 kam dann die Bühne dazu, es wurde ein Winterkino mit Heizpilzen und warmer Suppe angeboten. Richtig Fahrt nahm das Treiben auf dem Hof dann ein Jahr später auf, als Heizung und Isolierung installiert wurden. Seitdem fanden regelmäßig Veranstaltungen auf dem Hof statt, mittlerweile etwa 250. Christina sagt dazu lachend: „Aus dem ,Wir probieren mal‘ sind mittlerweile 10 Jahre geworden und solange es uns noch Spaß macht, machen wir das weiter“. Den haben sie nach wie vor, wie ich in unserem Gespräch deutlich spüre, der Tatendrang ist nach wie vor ungebrochen. Die Vielfalt des Angebots auf dem Hof ist groß: Es gibt Konzerte, Open Air-Veranstaltungen, Frühstücke, Märkte, Kurse, Ausstellungen und und und. Sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Textes sprengen, aber eines zeigt diese Tatsache ganz deutlich: Die Oma Inge kann man nicht in Schubladen stecken und genau so soll es auch sein. Durch die Gemeinnützigkeit genießen Christina und Ates in ihrer inhaltlichen Gestaltung eine große Freiheit, was und wie viel sie machen wollen. Ihr allererstes Anliegen ist es nicht, möglichst viel Kultur zu machen, sondern einen Raum zu schaffen für Gemeinschaft und eine Plattform, auf der sich die Menschen ausprobieren können. Über die Kultur kann dann Verständnis füreinander und für Zusammenhänge entstehen – eine Ansicht, die ich sehr teile.
Christina ist selbst auf dem Hof künstlerisch tätig, hat hier ihr eigenes Atelier. Zum Teil werden die Räumlichkeiten auch vermietet, etwa an Vereine aus dem Ort. Sogar Yoga, Meditation und Ähnliches werden von Extern angeboten. Die Besucher strömen natürlich aus Schornsheim und dem umliegenden Orten, aber auch aus Mainz, Wiesbaden, Kaiserslautern und Mannheim auf den Hof, was nicht zuletzt an der hohen Qualität des Angebots liegt. Ich selbst durfte bereits in der Vergangenheit die Räumlichkeiten für berufliche Zwecke nutzen und war begeistert, wie unkompliziert die Zusammenarbeit mit Christina und Ates verlief. Und das Wichtigste: Meine Gäste und ich haben uns sehr willkommen gefühlt – und genau das strahlt der Kulturhof Oma Inge aus, sobald man ihn betritt.
Veranstaltungstipps:
Oma Inge:
Mo/ve/ments
No Artists – Oma Inge
Paul Scheugenpflug Quartett – Oma Inge