Jede der Hiwweltouren hat ihren eigenen Charakter. So auch die rund elf Kilometer lange Hiwweltour Bismarckturm. In der Nähe von Ingelheim führt der zertifizierte Prädikats-Rundwanderweg mit dem Motto „Quer Feld Wein“ vom gleichnamigen Turm bis zur Weinlage Hundertgulden bei Appenheim und wieder zurück.
Konzentrieren wir uns auf die für meinen Mann Rainer und mich fünf wichtigsten Gründe, warum diese Wanderung lohnenswert ist:
Die Abwechslung
Die Menschen wollen Abwechslung. Das hat zumindest der Radiosender HR3 bei einer Hörerbefragung festgestellt. Solch einen Wunsch erfüllt die Hiwweltour Bismarckturm ganz eindeutig. Allein schon landschaftlich: Anfangs und gegen Ende wieder geht´s durch Waldgebiete, die teils wie ein Urwald anmuten. Auch unterwegs stehen immer wieder Bäume Schatten spendend Spalier – manchmal wie ein Laubengang. Es geht vorbei an Wiesen mit Streuobst, Weiden und mitten durch die Weinberge. Von der Anhöhe führt der Weg hinunter ins Tal. Dort plätschert der Welzbach, dem wir eine Zeit lang folgen und den wir dabei mehrmals überqueren.
Teils laufen wir über Wald- und Feldweg, dann über eine Wiese oder eine asphaltierte Etappe. Beeindruckt hat uns der steile Treppenweg, über den wir einen Teil der Höhe zum Westerberg im Naturschutzgebiet des Gau-Algesheimer Kopfs wieder erklimmen.
Immer wieder taucht entlang der Rundtour geschichtlich oder naturkundlich Interessantes auf: Beispielsweise die noch erkennbaren Gräben einer Infanteriestellung aus dem ersten Weltkrieg, auf die Schilder hinweisen. Oder die Schautafeln des Geoökologischer Lehrpfads Gau-Algesheim. Diese erklären die geologische Entwicklung der Region.
Starker Start und Finish
Schon allein ein Ausflug zum Startpunkt wäre lohnenswert: Mächtig erhebt sich der 31 Meter hohe Bismarckturm auf dem Westerberg. Wie die Infotafel verrät, bildet das mächtige Bauwerk das Gegenstück zur Germania des Niederwald Denkmals drüben im Rheingau. Architektonisch mit Elementen des Jugendstils und der Neuromantik erinnert der im Jahr 1912 eröffnete Turm daran, wie sehr der erste deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck verehrte wurde und wie groß die patriotische Gesinnung zu dieser Zeit war. Damals Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden solche Bauten in ganz Deutschland – der in Ingelheim zählt zu den höchsten. Für beste Weitblicke lohnt es sich, die Treppenstufen im Inneren emporzusteigen. Auf dem Rückweg zeigt der Turm schon von weitem: Bald ist die Tour geschafft.
Für Rast und Einkehr gibt dort es gleich zwei Wirtschaften: Die Brauser´s Bergschänke schenkt Getränke in einem hübschen, mit Palmen und Olivenbäumen dekorierten Biergarten aus. Der Clou: Speisen dürfen mitgebracht werden. Direkt unterhalb des Bismarcksturms serviert das Bergrestaurant Waldeck draußen und drinnen u.a. Wild-Spezialitäten. Auf der Karte steht passenderweise auch ein „Hiwwelschnitzel“ (mit Zwiebeln und Kräuterbutter).
Das Auto kann übrigens auf einem der zwei großen Parkplätze abgestellt werden. Am Startpunkt zeigt eine Übersichtskarte den Verlauf der Route und gibt eine gute Orientierung.
Die Weitblicke
Immer wieder begeistern uns die Panoramen, die sich uns unterwegs eröffnen. Super finden wir, dass an vielen Stellen Bänke, teils sogar die für Rheinhessen typischen Liegebänke stehen. Bereits am Bismarckturm kann der Blick bis zu den Höhen des Rheingaus schweifen. Dort sind zum Bespiel Schloss Vollrads und Schloss Johannisberg zu erkennen. Diese Perspektive haben wir etwas später auch an der Gaga-Hütte. Der Schutz-Pavillon ist nach seinen Bauherren, der Firma Gebrüder Avenarius Gau-Algesheim, benannt. In die andere Richtung – gen Westen – erheben sich hier der Laurenziberg und der Jakobsberg.
Näher an Gau-Algesheim schiebt sich der Turm der katholischen Kirche St. Cosmas und Damian vor die beiden Hügelkuppen. Auch der Aufstieg durch die Reben am Hundertgulden wird mit Fernblicken über den Ortskern von Appenheim sowie bis zum Nahetal und den Höhen des Hunsrücks belohnt.
Die Seitensprünge
Wem die rund elf Kilometer der Kerntour nicht ausreichen und wer seinen Schrittzähler weiter füttern will, dem empfehle ich einen Abstecher nach Gau-Algesheim. Dort hinab führen Wege gleich zu Beginn der Route. Zudem gibt es vom Bahnhof Gau-Algesheim einen beschilderten Zuweg (1,9 Kilometer) zur Hiwwelroute – der hübsche Winzerort könnte also durchaus ein alternativer Start- bzw. Endpunkt sein.
Eine einladende Atmosphäre herrscht hier am historischen Marktplatz, wo verschiedene gastronomische Betriebe bei schönem Wetter ihre Tische im Freien stehen haben. Vom barocken Rathaus winkt eine Figur der Justitia. Wenige Schritte sind es zur katholischen Kirche St. Cosmas und Damian, deren 63 Meter hoher Turm das Geschehen überragt. Unweit davon am Klopptor haben die Einheimischen „Dem Schoppe“ (also einer Weinschorle – ein Denkmal gesetzt. Dieses erinnert mit den Worten des aus Gau-Algesheim stammenden Mundart-Dichters Alfons Molitor: „E Schoppe Gespritze is gut for de Dorscht“. In Gau-Algesheim finden sich gleich zwei der besonderen “Reinhessen-AUSGEZEICHNET-Vinotheken“: eine im Weingut Pfeiffer, die andere in Gerharz Weinerlebnis. Für eine kleine Weinprobe sollte die Zeit reichen.
Nur wenige (rund 100) Meter abseits der Hiwwelroute liegen später die ausgeschilderten Salamander-Löchern. Das Naturdenkmal ist Teil des Naturschutzgebiets „Gau-Algesheimer Kopf“. Doch erwartet keine auffälligen Erdlöcher mit vielen Amphibien. Seine Besonderheit erklärt die Infotafel des Geoökologischen Lehrpfads: Hier gibt es Grundwasser-Vorkommen, die auch während der Sommermonate nicht austrocknen. Die Pfützen schaffen den Lebensraum für seltene Pflanzen wie das „Silber-Fingerkraut“ sowie verschiedene Molch- und Libellenarten.
Null Schritte mehr – da direkt am Weg – bringt es, in der 100 Guldenmühle auf halber Strecke in Appenheim eine Rast einzulegen. Die idyllische Terrasse im weitläufigen Garten der historischen Mühle am Fuß der Weinlage Hundertgulden lädt zum Verweilen ein.
Natur hautnah
Ein Buch in meiner Jugend hieß „Wandern mit offenen Augen“. Dies wörtlich zu nehmen, fällt auf dieser Hiwweltour leicht. Jetzt im Frühjahr blühen Waldanemonen, Veilchen, Schlüsselblumen und Traubenhyazinthen (auch genannt Schlotfeger). Die Blätterfelder lassen erkennen, dass bald Maiglöckchen sprießen werden. Prächtig blühen die Obstbäume. Später im Jahr, so ist zu lesen, werdet ihr seltene Pflanzen wie Sumpf-Schwertlilien, Türkenbund-Lilien oder Frauen-Enzian entdecken können.
Auch haben wir immer wieder tierische Begegnungen, die nicht nur Kinder erfreuen: An der Guldenmühle käuen Kühe und später weiden Pferde auf den Koppeln. Neben dem Parkplatz krähen Hähne und meckern Ziegen. Unterwegs zwitschern die Vögel und ein Specht klopft am hohlen Baumstamm. Immer wieder flattern Schmetterlinge durch die Luft – darunter mir bisher unbekannte Exemplare wie der Aurorafalter (weiße Flügel mit orangenen Spitzen).
Da lohnt es sich, eine Kamera griffbereit zu haben. Schöne Motive sind auch die teils bizarren Wurzeln der Bäume. Übrigens: Für Insta-Fans gibt es einen „Fotorahmen“ am „Tisch des Weines“ am Hundertgulden. Und noch ein Tipp: An diesem Rastplatz schenken die Winzer des Appenheimer Hundertgulden von Mai bis Juli jeweils an einem Sonntag ihre Weine aus.
2 Antworten
Liebe Marina,
bin gestern mit Freunden auf der Hiwweltour unterwegs gewesen. Tolle Empfehlung, besonders die vielen schattigen Abschnitte an den Bächen waren an dem sonnigen Tag sehr erholsam.
LG, Michael
lieber michael: wie schön von dir hier zu lesen – herzlichen dank für deinen positiven kommentar! super dass euch die hiwweltour und rheinhessen gefallen haben. beim nächsten mal, vielleicht zu uns nach oppenheim, bitte melden. liebe grüße, marina