Dieser Beitrag wurde am 02.02.2023 veröffentlicht und am 19.01.2024 aktualisiert.
Wanderweg am Roten Hang
Vielen kommt der Winter grau und langweilig vor. Doch bei ein wenig Schneefall öffnet sich eine wunderbare Winterlandschaft zum Wandern an den Hängen Rheinhessens. Geradezu prädestiniert für eine winterliche Wanderung ist der Rote Hang bei Nierstein mit seinen geologischen Besonderheiten, seinen Ausblicken und seiner Nähe zum Rhein-Main-Gebiet. Ideale Voraussetzungen bietet dafür der nur 8 km lange Rundwanderweg „Weinerlebnis Roter Hang”.
Eine winterliche Schneedecke hatte sich auf Rheinhessen gesenkt, die Morgensonne strahlte, und so entschieden meine Frau und ich uns am Morgen für einen kurzen Ausflug zum Wandern nach Nierstein. Zwar gibt es am Startpunkt des Wanderweges an der Kilianskirche keine Parkplätze, doch von den Parkplätzen am Bahnhof ist es nicht weit. Von dem Rhein-Main-Gebiet oder dem Rhein-Neckar-Gebiet kommend, wird der Bahnhof mit der S6 alle 30 Minuten angefahren. Vom Bahnhof aus sind es zu Fuß nur knapp 20 Minuten bis zur Kilianskirche.
Das Weinerlebnis
Der Verein Roter Hang hat den Rundwanderweg mit 12 Stationen gestaltet. An den Stationen informieren rote Tafeln über Wissenswertes, es gibt einen Audio-Guide, und dabei lassen sich die Landschaft und die schönen Ausblicke im Roten Hang genießen – dort, wo Rieslinge von Weltruf wachsen.
Die Tour führt von Nierstein aus in Richtung Norden langsam aufsteigend im Roten Hang entlang, kehrt dann oben auf der Höhe zurück zum Wartturm, biegt nach Westen zum Schlossturm der Schwabsburg ab, um dann im Hang zurück nach Nierstein zu geleiten.
Die Wandertour gibt es bei Rheinhessen.de (Weinerlebnis Roter Hang – Wandern zwischen Himmel und Rhein) und auf der Outdoor-Plattform Outdooractive zum Nachwandern. Aufgrund der sehr guten Wegeauszeichnung lässt sich die Tour aber auch ohne elektronische Karte wandern.
Die Routenplanung sieht eine Dauer von 2:10 Stunden vor. Wir wollen uns etwa 3 Stunden Zeit nehmen, um an den Stationen einen Halt einzulegen, die Aussichten zu genießen und eine kleine Vesper einzunehmen.
Kilianskirche
Die Wanderung beginnt an der katholischen Pfarrkirche St. Kilian. Rund um die Kirche bewundern wir die älteste urkundlich erwähnte Lage Deutschlands: Niersteiner Glöck. Mindestens seit dem Jahr 742 soll es sie geben, so eine Schenkungsurkunde. Angeblich und nachvollziehbar trägt die Weinlage ihren Namen nach den Glocken der Kirche. Einen Vorläufer der heutigen Kirche soll es dort 742 ebenfalls gegeben haben. Die jetzige Kirche versammelt Teile und Baustile aus verschiedenen Jahrhunderten. Von ihr aus öffnet sich der Blick auf Nierstein und den Rhein.
Küstenblick
An der rechten Seite der Kirche geht es an ihr vorbei in einem kleinen Hohlweg bis zum Küstenblick. „Küste?” fragen wir uns. Bis uns klar wird, dass nicht der Blick auf den Rhein gemeint ist, sondern der Blick 300 Millionen Jahre zurück, als hier an einer Küste Meerwasser zu sehen war. Die Kontinentalplatten hatten sich verschoben, und so begann die Geschichte des Roten Hangs.
An der roten Informationstafel lässt sich ablesen, wie weit es von der letzten und bis zur nächsten Station ist. Ein QR-Code ruft weitere Informationen und den Audio-Guide auf.
Heute bildet der Schnee auf den Bäumen und der Landschaft einen wunderbaren Kontrast mit dem blauen Himmel über dem Rhein. Wir gehen auf den Weg zurück und rechts weiter in einer kleinen Senke über einen Wirtschaftsweg, und dann geht es auch schon hoch.
Abbruchkante
An der Abbruchkante springt uns die rote Erde des Roten Hangs in die Augen. Hier, am Roten Hang, tritt die Gesteinsschicht Rotliegend zu Tage, die durch Verschiebungen vor Millionen von Jahren entstand. Auch in anderen Gebieten Rheinhessens gibt es sie, doch so weit an der Oberfläche und an einer Abbruchkante wie hier am Rhein ist sie nirgendwo zu sehen.
Weiter führt uns der Weg im Roten Hang nach Norden, immer den Rhein und die Weinberge im Blick. An Stangen flattern die Fahnen des Roten Hangs. Mal geht es kurz nach unten, doch stetig geht es nach oben. Über einen schneebedeckten Holzpfosten („Stickel”) blicken wir zurück und erkennen aufragend über Schnee und Landschaft die Kilianskirche.
Humboldt-Blick
Alexander von Humboldt hat bereits 1790 von dem edlen Wein und dem rotem Gestein in Nierstein berichtet. Am Alexander-von-Humboldt-Blick stellen wir uns vor, wie wir hier gemeinsam mit ihm die Aussicht genießen und uns über Umwelt und Ökologie unterhalten.
Zur Fockenberghütte
Nur wenige Meter oberhalb des Alexander von Humboldt-Blicks geht es direkt links auf einen Naturweg, der später zu einem Pfad wird. Heute stapfen wir durch den Schnee und erhaschen immer wieder einen Blick auf den Rhein.
An der Fockenberghütte legen wir eine erste kurze Rast ein. Von hier aus sehen wir wieder auf die Kilianskirche, Nierstein und den Rhein hinab. Ein wenig ziehen Wolken auf, doch wir lassen uns nicht davon stören.
Niersteiner Wartturm
Auf dem oberen Wirtschaftsweg geht es weiter bis zum Niersteiner Wartturm, einen mittelalterlichen Signalturm aus dem 12. Jahrhundert. Lange diente der Turm noch den Winzern als Beobachtungsturm und Zentrale zur Vogelabwehr. Mit lauten Geräuschen wie mit Schreckschussgeräten wurden die Vögel davon abgehalten, sich über reife Trauben herzumachen. Vor dem Turm gibt es einige Bänke und Tische, eine Familie richtet sich gerade zur Vesper ein. Von hier geht der Blick weit über die Weinberge und den Rhein bis zum Odenwald auf der anderen Rheinseite.
Schlossturm-Blick und Schlossturm
Durch den Schnee stapfen wir oberhalb des Hangs weiter nach Westen und erblicken dann später auch den Schlossturm. Die Schwabsburg wurde im 13. Jahrhundert erbaut und diente zunächst als Stützpunkt der Staufer am Rhein. Nach wechselnden Besitzern wurde die Reichsburg im Dreißigjährigen Krieg von spanischen Truppen zerstört. Übrig blieben nur die Reste des Bergfrieds. Erst vor einigen Jahren wurde er restauriert und dient vielen jetzt als Ausflugsziel. Das ganze Jahr über kann man über eine zunehmend enger werdende Treppe im Innern hinaufsteigen und von oben die Landschaft genießen.
Heute bleiben wir unten und blicken einfach so auf die Weinlage „Schloss Schwabsburg” und den Niersteiner Ortsteil Schwabsburg, bis wir uns auf den Rückweg machen.
Oelberg
An der Weinlage Oelberg, der größten Einzellage im Roten Hang, lädt die Roter Hang-Hütte zum Rasten ein. Wir packen unseren Kaffee und ein wenig Proviant aus und lassen den Blick über Nierstein schweifen.
Nur wenig unterhalb der Hangkante wandern wir weiter nach Osten zum Rhein hin. Uns begegnet eine Familie, die wir am Wartturm bereits gesehen hatten. Dort hatten sie gerade eine Vesper ausgepackt. Wir unterhalten uns kurz über das wunderbare aber kalte Schneewetter, bevor wir uns verabschieden. Unten im Tal sehen wir Winzer mit ihren Treckern bei der Arbeit im Weinberg – während wir unsere Freizeit genießen. Im Audio-Guide erfahren wir, welche Arbeiten das ganze Jahr über erledigt werden müssen.
Abendmahltisch
Am Abendmahltisch halten wir kurz inne und denken an die harte Arbeit der Winzer.
Durch den Auflangen-Steig gelangen wir hinunter und wandern dann weiter zurück nach Nierstein. In Nierstein wären es nur wenige hundert Meter bis zur Kilianskirche. Wir könnten auch direkt weiter zurück zum Parkplatz laufen, wenn da nicht der Marktplatz wäre. Denn der Marktplatz hat unter anderem die „Genussheldin” zu bieten.
Kaffee und Kuchen bei der Genussheldin
Wir können und wollen der Versuchung nicht widerstehen. Glücklicherweise ist gerade in der „Genussheldin“ links der Tisch mit dem Sofa frei. Die Genussheldin ist Lisa Schindlbeck. In ihrem gemütlichen Café bietet sie Frühstück à la carte, Kaffee und Kuchen und Mittagsgerichte. Der Kuchen und die kleinen Teilchen sind natürlich hausgemacht.
Wir entscheiden uns für Milchkaffee und Bratapfel-Torte – genau das Richtige für die kalten Tage, oder? So genießen wir den Ausklang unserer Wanderung, bevor wir uns für die restlichen Meter zum Parkplatz aufmachen.