Dieser Beitrag wurde am 14.04.2023 veröffentlicht und am 12.03.2024 aktualisiert.
Ich nehme Euch mit auf die „Hiwweltour Neuborn“, dabei werden wir auf dem Weg gemeinsam neun Kräuter und die abwechslungsreiche Umgebung von Wörrstadt und Rommersheim entdecken. Es sind heimische Pflanzen, die wir überall in Feld und Flur finden können – oder in unseren wilden Ecken im eigenen Garten. Auch bekommt Ihr einige Anregungen, wie das frische Grün unkompliziert und schnell in der Küche zu einem schmackhaften Gericht werden kann. Vermutlich kennt Ihr die meisten, doch nicht alle wissen, welche Energie sie für uns nach einem langen Winter bereithalten.
Aber was hat es mit den „Neun Kräutern“ auf sich? Die Redewendung hat unterschiedliche Herkünfte, eine Überlieferung besagt: Die Natur ist uns neun Monate wohlgesonnen, die drei Wintermonate bedeuteten früher oft Hunger und Mangelernährung. Das erste frische Grün nach dem Winter wurde mit der traditionellen „Neun Kräutersuppe“ gefeiert. Jede Region bietet uns unterschiedliche Kräuter, die Zusammenstellung der „Grünen Neune“ kann also variieren und ist nicht einheitlich festgelegt. Oft wachsen die grünen Vitaminbomben unbemerkt am Wegesrand und werden als „Unkraut“ bezeichnet oder wir probieren sie aus unseren aufgeräumten Gärten zu vertreiben.
Das grüne „Superfood“ vertreibt mit seinen Vitaminen, Mineral- und Bitterstoffen jede Frühjahrsmüdigkeit, alles aus der Frischetheke der Natur. Bitte aber unbedingt beachten: Nur für den persönlichen Bedarf ist das Pflücken einer kleinen Menge (was zwischen Daumen und Zeigefinger passt – „Handstrauß-Regel“) erlaubt. Wenn Ihr Euch unsicher im Bestimmen der Pflanze seid, hilft ein Bestimmungsbuch oder auch eine Bestimmungs-App. Im Zweifel lieber nicht verzehren! Ebenfalls zu beachten ist, dass keine Pflanzen in Naturschutzgebieten gepflückt werden dürfen. Es empfiehlt sich keine Kräuter direkt am Straßenrand oder an verunreinigten und intensiv bewirtschafteten Kulturen zu sammeln.
Also, auf geht’s über die Hiwwel im Rheinhessischen Wörrstadt!
Unsere Wanderung auf der Hiwweltour Neuborn beginnt am Wanderparkplatz am Neuborn. Der Wiesenweg führt uns vorbei am Neubornbad, hier entdecke ich schon die ersten Wildkräuter. Die „Große Brennnessel“ (Urtica dioica)und die „Kleine Brennnessel“ (Urtica urens), auch Donnernessel genannt, zeigen sich am Wegesrand mit ihrem frischen Grün.
Die Pflanze schützt sich vor Fressfeinden mit ihren Brennhaaren, bei der geringsten Berührung kommt es zu Verbrennungen und Juckreiz (Mix aus Histaminen, Ameisensäure und Acetylcholin). Schmetterlinge stört das nicht, denn sie ist eine wichtige Futterpflanze für über 40 Schmetterlingsarten. Der Admiral, das Tagpfauenauge, der Kleine Fuchs und das Landkärtchen sind ausschließlich auf die Brennnessel angewiesen. Ohne Brennnesseln, keine bunten Schmetterlinge! Aber wie findet sie Verwendung in der Küche? Die Blätter des Kräutergemüses können wie Spinat verarbeitet werden, sind aber auch sehr lecker in Smoothies. Sie ist der ideale Entgiftungs-Partner für den Frühling und kann den Blutzuckerspiegel senken.
In der Ferne ist bereits der Burgunderturm zu erkennen. Wie ein Leuchtturm ragt er zwischen den Weinreben in seinem kräftigen Rot hervor. Seinen Namen verdankt er der gleichnamigen Partnerregion. Durch die Graswege nähern wir uns dem markantesten Punkt auf der Hiwweltour Neuborn, am Wegesrand schlängeln sich eifrig die Triebe der Vogelmiere (Stellaria media).
Entdeckungen auf der Hiwweltour Neuborn und ein leckeres Vogelmieren-Pesto
Jeder kennt das weit verbreitete Nelkengewächs mit den kleinen weißen, sternförmigen Blüten. Die Vogelmiere reckt sich sogar durch dünne Schneeschichten hindurch und zeigt ihre Blüten von März bis Oktober. Sie befreit von Giftstoffen und ihr hoher Vitamin C-Gehalt ist ein Superfood für Smoothies und Salat. Ich habe für Euch ein Pesto zubereitet, probiert es gerne aus…
Vogelmieren-Pesto mit Spaghetti
Spaghetti bissfest kochen, von einer Karotte ca. 10 Steifen abschälen und letztere 3 Minuten mitköcheln, ca. 1 Eßl. Olivenöl dazugeben.
Parallel einen Strauß Vogelmiere und eine Hand voll Walnusskerne, eine Knoblauchzehe, Olivenöl, Parmesankäse, Kräutersalz und frisch gemahlenen Pfeffer in einem Mixer zerkleinern und zu einer sämigen Paste verarbeiten.
Befinden sich die Weinreben noch in den letzten Zügen der Winterruhe, blüht die Purpurrote Taubnessel (Lamium purpureum) oder auch „Rote Bete Nessel“ genannt, in fast jeder Wingertszeile sehr übereifrig. Sie zählt nicht zu meiner Auswahl der „Grünen Neune“, aber ich habe die essbare Blüte als Deko verwendet.
Weiter geht’s auf der Route durch die Weinberge, den Hiwwel bergab zum Rastplatz „Schöne Aussicht“. Der Platz macht seinem Namen alle Ehre, ein Schild zeigt die umliegenden Berge und Regionen an; bis zum Erbeskopf, Donnersberg und Wißberg lassen sich bei gutem Wetter die ganz großen Hiwwel am Horizont erkennen.
Das wohl bekannteste Mitglied der „Grünen Neune“, das Gänseblümchen (Bellis perennis), reckt neugierig seine Blüten der Sonne entgegen; nachts und bei Regen ist sein Blütenstand geschlossen. Es trägt eine Vielzahl von Namen: Die ewige Schöne, Maßliebchen, Tausendschön, Marienblümlein und Sonnenauge sind nur einige davon. Die Blüten sind eine vitaminreiche und schmackhafte Zutat in Wildkräutergerichten, sie schmecken nussig und die Blätter leicht scharf. Der widerstandsfähige Korbblütler kann auch zu Gänseblümchenhonig oder Tinkturen und Tee verarbeitet werden.
Genussvolle Abstecher und heilende Kräuter: Spitzwegerich und Schafgarbe auf der Hiwweltour Neuborn
Nun geht´s den Hiwwel runter mit tollem Ausblick über Weinberge, immer den nächsten Aussichtspunkt im Blick. Ein kleiner Abstecher zum „Weinbergshaus Perka“ gibt den Blick frei auf die Weite von Rheinhessens Hügellandschaft. Hier entdecke ich am Rand der Weinberge reichlich Spitz-Wegerich (Plantago lanceolato). Auch er trägt viele Namen: König des Wegrandes, Lungenblatt und Wegetritt.
Die Blätter des Spitzwegerichs können das ganze Jahr in Wildkräutergerichte, Pesto und Salat gegeben werden. Der Geschmack ist etwas bitter und herb. Ihre Blüten sind derzeit noch nicht zu sehen, wir können im Frühjahr nur die saftig grünen Blätter sehen, die sich buschig in die Höhe recken. Sie ist eine klassische Lungen- und Erkältungspflanze, die auch die Selbstheilungskräfte stark anregen kann. Unterwegs auf Wanderungen ist sie als Wiesenpflaster eine 1. Hilfe Pflanze, entzündungshemmend und blutstillend. Ihr Fruchtstand ist der bekannte Flohsamen, der Magen- und Darmkrämpfe lösen kann.
Ebenfalls in frischem Grün zeigt sich die Schafgarbe (Achillea millefolium). „Tausendfach gefiedert“ oder „Augenbraue der Venus“ beschreiben ihre feinen, gefiederten Blätter. Auch hier ist die Blüte im April noch nicht zu sehen. Die Wiesen- und Weidepflanze ist eine Bereicherung in jedem Salat oder auf Butterbrot. In der Pflanzenheilkunde hilft sie bei Frauenleiden.
Auf dem Greifenberg: Vom Tisch des Weins zur Vielfalt der Kräuter und exotischem Federvieh
Nun wandern wir zum „Tisch des Weins“ auf dem Greifenberg, hier lädt der Rastplatz zu einer ausgiebigen Vesper ein. Das muss natürlich mit einem Erinnerungsfoto im Bilderrahmen festgehalten werden. An dem mystischen Ort soll an vergangenen Tagen eine Raubritterburg gestanden haben… Aber das ist nur Spekulation.
Der Weg führt uns runter vom Hiwwel durch ein Wäldchen, vorbei an einem Weiher. Wir laufen an Gärten und allerlei Federvieh vorbei. Das ist besonders für Kinder auf der Tour ein Highlight, dem Rudel aufrecht watschelnder Laufenten, den Hühnern und den Nandus zuzuschauen.
Und schon begegne ich den nächsten Kräutern entlang des Bachlaufs. Der Giersch (Aegopodium podagraria), auch „Zipperleinskraut“ genannt, hat sich ein schattiges Plätzchen gesucht. Am Waldrand und auf Brachflächen fühlt er sich besonders wohl. „Des Gärtners Graus“, so eilt ihm sein Ruf voraus. Wer ihn einmal im Garten hat, wird ihn nur schwer wieder los. Seine Rhizome durchziehen den Boden und überall tauchen neue Pflanzen auf. Aber die jungen Blätter schmecken roh im Salat und in Smoothies, sie sind reich an Vitaminen und Mineralien. Gekocht oder gedünstet schmeckt er in Suppen, Eintöpfen, Soßen und mit Rührei. In der Volksmedizin gilt er als „Gichtheiler“, das zeigt schon sein Name „podagra“ = Gicht.
Um eine Verwechslung auszuschließen, hilft die Eselsbrücke: „Drei, drei, drei – bist beim Giersch dabei!“ (Drei Teile hat das Blatt und ist wiederum noch einmal dreigeteilt, der Stängel des Gierschs ist dreikantig.) Der Stängelschaft erinnert an den Fuß der Geiß.
Hier fühlt sich auch das Wiesenlabkraut (Galium mollugo) wohl. Die Verwandtschaft zum Waldmeister ist ihm anzusehen. Die Bitter- und Gerbstoffe sind Fitmacher für das Frühjahr und schmecken nach junger Erbse. Das Kraut verfeinert Rucola oder Kopfsalat, Pesto, Smoothies und Suppen. Es zählt zu den Färberpflanzen, ihre Wurzel färbt rot.
Nun zeigt sich auch noch der „Gundermann“ oder „Gundelrebe“ (Glechoma hederacea). Seine violetten Blüten recken sich schon früh im Jahr der Sonne entgegen. Die kleinen herzförmigen Blättchen sind sehr würzig im Geschmack. Blätter und Blüten sind eher als Gewürz zu benutzen in Salaten, Gemüsepfannen oder Kräuterbutter. Um ihn nicht zu verwechseln, reibt man die Blätter aneinander, man erkennt ihn am intensiv aromatischen Duft. Es empfiehlt sich, den Gundermann eher sparsam zu verwenden. Bienen und Schmetterlinge erfreuen sich gerne am Nektar des Lippenblütlers und den Pollen.
Der Weg führt mich nun durch das malerische Dorf Rommersheim. An der Kirche lädt eine Bank neben dem kleinen Brunnen zum Rasten ein. Frisch gestärkt geht’s raus aus Rommersheim wieder hinauf zum nächsten Hiwwel, zum Rastplatz Lorlenberg. Die Ausblicke auf der Wanderung sind einfach fantastisch und man kann den Alltag hinter sich lassen. Am Horizont ist der rote Burgunderturm wieder in Sichtweite. Der Grasweg führt nun auf der Anhöhe entlang der Weinberge zum Rommersheimer Steinkreuz. Die Kastanie zeigt schon die ersten dicken Knospen mit Blattansätzen. Das Frühjahr steht in den Startlöchern! Eine Ruhebank lädt dazu ein noch einmal die Aussicht zu genießen.
Auf der nächsten Wegstrecke begegnen wir noch dem allseits bekannten Löwenzahn (Taraxacum officinale), auch als Pusteblume bekannt. Die Blätter wachsen noch flach über dem Boden, an manchen Pflanzen ist schon eine prächtige gelbe Blüte zu erkennen. Für einen Salat oder leckeren Smoothie verwendet man am besten die jungen Blätter vor der Blüte, sonst beinhalten diese zu viele Bitterstoffe. Wenn man den Blütenstängel bricht, tritt ein milchiger Saft hervor, so kann man jede Verwechselung ausschließen. Er wird auch „Ginseng des Westens“ genannt, er ist ein super Entgiftungs-Partner im Frühjahr und gesund für Leber und Verdauung. Die Pusteblume sorgt für schnelle Vermehrung, was Gärtner eher lästig finden.
In der Küche findet er eine großartige Verwendung bei Smoothies. Ich habe folgendes für Euch getestet: Ein Löwenzahn Power Smoothie – er vertreibt jede Frühjahrsmüdigkeit! Man braucht: eine Handvoll junge Löwenzahnblätter, ein Glas Buttermilch, ein Glas naturtrüben Apfelsaft, einen entkernten Apfel mit Schale, eine geschälte Orange in Stücken, etwas Zitronensaft und etwas Imkerhonig aus Rheinhessen zum Süßen. Alle Zutaten im Mixer zerkleinern. Hält sich gekühlt min. drei Tage im Kühlschrank in einer Glasflasche.
Mit neuer Power geht es auf der letzten Etappe durch den Wald, vorbei an der Neubornquelle und der Grasfrosch-Kinderstube. Das wird ein Gequake geben… Die Bäume sind noch kahl, jeder warme Tag wird sie etwas grüner werden lassen.
Zurück am Parkplatz habe ich viele Eindrücke gewonnen und neun grüne Schätze der Natur neu entdeckt. Eine Weisheit von Sebastian Kneipp besagt: „Gegen das, was man im Überfluss hat, wird man gleichgültig; daher kommt es, dass viele Hundert Pflanzen für wertlose Unkräuter gehalten werden, anstatt dass man sie beachtet, bewundert und gebraucht.“
Die „Hiwweltour Neuborn“ ist mit etwas über 8 Kilometern in knapp 2 ½ Stunden (ohne Pause) gemütlich zu erwandern. Eine mittelschwere und abwechslungsreiche Wegstrecke führt durch Wald, Wiesen und Weinberge und an Bachläufen vorbei. Viel Spaß beim Erwandern der Rheinhessischen Hiwwel und Gebrauchen des grünen Superfoods…
12 Antworten
Liebe Katja!
Auch dieser Blog ist dir super gelungen.
Sehr informativ und interessant geschrieben. Tolle Fotos und Rezepte! Vielen Dank dafür! Werden wir alles ausprobieren, und das ein oder andere Pflänzchen doch im Garten gedeihen lassen. Die Tour werden wir definitiv demnächst mal ausprobieren. Freu‘ mich schon drauf… und auch auf deinen nächsten Blog!! Hab‘ jetzt richtig gute Laune und werde diesen Blog direkt noch mal lesen…
Hallo Nicole!
Es freut mich sehr, dass Dir der Blogartikel gefällt 🙂
Viel Spaß beim Ausprobieren der Rezepte und Wandern über die „rheinhessischen Hiwwel“!
Danke für den schönen Artikel, gute Beschreibung der Strecke und den Pflanzen am Wegesrand. Macht direkt Lust auf die nächste Tour.
Viel Spaß beim Wandern und Erkunden der Pflanzen, liebe Simone!
Liebe Frau Zentel,
Was für ein Vergnügen an einem verregneten Sonntag gedanklich mit auf Ihre ‘Wanderung’ zu gehen. Das macht wirklich Lust einmal in ‘Ihre’ Gegend fur ein Wochenende zu reisen. Herzlichen Dank ! Und viele Grüsse aus Düsseldorf ! Ihre Martina Effmert
Hallo Frau Effmert,
das freut mich sehr! Ziel erreicht – Lust auf Rheinhessen geweckt 🙂
Viele Grüße aus Nierstein
Hallo Katja, toller Bericht und super Fotos . Freue mich schon auf Deine nächsten Blogs. Ganz liebe Grüße
Hallo Gabi, Dankeschön!
Liebe Katja, super geschrieben! Tolle Infos über eine Tour von der ich schon alles zu wissen meinte gern mehr davon!
Liebe Uta, ich werde Rheinhessen weiter erkunden und es mit Euch teilen 🙂
Tolle Idee! Vielen Dank für den Artikel! Wir werden uns den Weg bei nächster Gelegenheit einmal vornehmen. Den Löwenzahn-Smoothie habe ich gleich ausprobiert. Er war sehr lecker und hat mich neu inspiriert, mehrere solcher doch einfachen Kräuter-Smoorhies demnächst auszuprobieren.
Liebe Kerstin, alle Hiwweltouren haben zu unterschiedlichen Jahreszeiten ihren ganz besonderen Reiz!
Frisch gestärkt vom grünen Power-Getränk in´s Frühjahr – das ist super!!! Viel Spaß beim Wandern und Probieren…