Die erste Etappe des RheinTerrassenWeges von Worms nach Osthofen führt uns durch unterschiedliche Gemeinden entlang der Rheinebene. Wir starten in der sagenumwobenen Nibelungenstadt Worms mit ihrem herrschaftlichen Dom und ihrer großen Geschichte, wo einst Luther vor dem Reichstag stand, vorbei am Herrnsheimer Schloss mit seinem verträumten Schlossgarten. Nun geht es aufwärts: Der RheinTerrassenWeg (RTW) wird bei Abenheim zur Panoramawanderung und gibt den Blick über das rheinhessische Rebenmeer und die Rheinebene frei.
Durch die Weinberge erreichen wir schließlich die Wein- und Sektstadt Osthofen.
Die pittoresken Türme und Miniaturburgen sind einzigartig in Rheinhessen und der kulinarische Einkehrschwung in Osthofen ist nichts für Kostverächter. Kommt mit in den Wonnegau, ihr werdet überrascht sein!
Miniaturburgen bestaunen und die Aussicht genießen
Rund um die Weinbaugemeinde sind sie zu finden, die kleinen Weinbergshäuschen oder sogar Miniaturburgen, wie sie liebevoll von den Osthofenern genannt werden. Das „weiße Häuschen“ ist als Erstes in Sicht. Die Beschilderung der Route führt uns über einen kleinen Zuweg an die Kante der Rheinterrasse und da wartet er auch schon auf uns: Der turmartige Putzbau mit Tonnengewölbe stammt aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und erinnert mit den vier Eckpfeilern an eine Art „Wehrgang“. Nur wenige Meter entfernt lädt der Tisch des Weines zu einer aussichtsreichen Rast ein und im Norden ist schon die Bergkirche von Osthofen zwischen den Bäumen zu erahnen. Im Osten eröffnet sich der Blick über den Rhein bis zum Odenwald und im Süden erkennen wir die Kirchtürme des Wormser Doms und der Dreifaltigkeitskirche. Weitblick bei guter Sicht, ein Traum zum Rasten.
Oberhalb der Rheinterrasse schlängelt sich der Weg durch die Weinberge, entspanntes Genusswandern mit Weitblick ist hier das Motto. Natürlich darf das Bestaunen der Natur bei meinen Erkundungstouren nicht zu kurz kommen: An den Lösswänden entlang der Wege warten die Eidechsen nur darauf, von mir entdeckt zu werden. Und da ist sie: Die Smaragdeidechse! Sie mag die warmen Weinbergshänge und genießt ihr Sonnenbad an der warmen Böschung. Ein besonderer Hingucker sind die Männchen zur Paarungszeit, dann leuchtet ihre Kehle smaragd- oder türkisfarben. Ihr Vorkommen ist laut Roter Liste als „stark gefährdet“ eingestuft. Sie ist auf unserer Route zu entdecken, somit ein echtes Juwel im Weinberg.
Die Wege sind eingerahmt von der blühenden Vielfalt, die zu jeder Jahreszeit neue Farben hervorbringt. Die intensiv violette Wegdistel ist ein beliebtes Ziel für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge. Farbe in der Natur bringt einfach gute Wanderlaune mit sich.
Bald haben wir eine Rastmöglichkeit unter einem schattenspendenden Nussbaum entdeckt und nur wenige Meter weiter erwartet uns ein Fotopoint mit Aussicht!
Das Flakhäuschen mag nicht besonders imposant erscheinen, aber die Aussichtsplattform ermöglicht einen wunderschönen Panoramablick und gibt die Sicht auf fast alle Türme um Osthofen frei: Das Blümel-Häuschen, den Leckzapfen, die Spitze der Bergkirche – der Rest ist in den Bäumen versteckt – und auf das Rote Häuschen. Die Beschilderung auf dem Handlauf weist auf die Türme in Osthofen und Worms und den Melibokus, den markanten Berg im Odenwald hin. Früher diente das Flakhäuschen als Bunker für den Osthofener Flakbeobachtungsposten, dann als klassisches Wingertsheisje und nun ist es ein beliebter Foto-Hotspot.
Der RheinTerrassenWeg verläuft parallel zum „Luther Weg 1521“ und führt uns direkt zum Plateau des Goldbergs. Den Pilgerwegwanderer erwartet am Eingang des Friedhofs die Stempelstation für die erfolgreich zurückgelegte Strecke. Der Luther Weg 1521 verläuft 44 km durch Rheinhessen und Luther wusste einst schon, die großartige Aussicht zu genießen. Auf insgesamt 530 km führt der Pilgerweg durch 7 Bundesländer auf den Spuren des Reformators. Der Start/Endpunkt ist an der Magnuskirche in Worms.
Um die zweite „Burg“ zu bestaunen, machen wir einen kleinen Schlenker wieder südlich zur Kirche und gelangen in wenigen Gehminuten an das „Rote Häuschen“. Stattlich steht der um 1900 im neugotischen Stil erbaute sechseckige Turm mit Zinnenkranz auf einer Anhöhe. Früher diente das Untergeschoss als Schutzunterstand. Die roten Backsteine geben der Miniaturburg ihren Namen. Im Jahr 2000 wurde der Turm von der Weinbruderschaft Rheinhessen zum schönsten Weinbergshäuschen Rheinhessens gewählt und erst jüngst durch den Weinring Osthofen e.V. renoviert. Ein attraktiver Fotopoint an dem man ebenfalls an einem Tisch des Weines gemütlich vespern kann.
Zurück auf dem Hauptweg erreichen wir über den parkähnlichen Friedhof die Bergkirche, die über Osthofen zu wachen scheint. Versteckt zwischen altem Baumbestand ragt der romanische Glockenturm hervor, der einst zu einer Befestigungsanlage gehörte. Wir folgen der Beschilderung entlang der Bergkirche durch verwunschene Wege und genießen den Blick über Osthofen. Die Osthofener Bergkirche gilt als größtes Weinbergshäuschen der Kleinstadt, denn schließlich bot es Schutz vor so manchem Feind, bot Unterschlupf bei Angriffen der verschiedensten Art. Aber lest die ganze Geschichte am Hinweisschild entlang der Friedhofsmauer in Richtung Kirchentor.
Kleine oder große Stärkung gefällig?
Was wäre eine Wanderung ohne Einkehr? Für den hungrigen und durstigen Wanderer habe ich einige Einkehrschwünge getestet:
Hervorragendes Eis und auch Frozen Joghurt können wir bei Eis Nonno genießen. Sehr lecker und eine willkommene Erfrischung nach unserer Wandertour. Auf dem gegenüberliegenden Platz gibt es Spielmöglichkeiten für Kinder und bequeme Bänke für müde Wanderer, oder wir genießen die Leckerei im Innenraum der Eisdiele.
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Im Weingut Grittmann erwartet uns an ausgewählten Terminen von Mai bis September die „Mittwochsstrausswirtschaft“ ab 17 Uhr.
Der „Gruß aus der Küche und dem Keller“ und die familiäre rheinhessische Gastfreundschaft der Grittmanns umrahmen den gemütlichen lauen Sommerabend. Das hervorragende Essen ist ein wahrer Genuss – hier muss man einfach Gast gewesen sein! Wer mit dem Wohnmobil anreist, kann die Ruhe in den Weinbergen genießen und nach vorheriger Absprache an einem Wohnmobil-Dinner oder einer Sundown- oder Munkelweinprobe teilnehmen.
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Wer die mediterrane Küche liebt, fühlt sich ganz besonders im Ambiente des Schwanen in Osthofen wohl. Im „MonaLiza“-Restaurant des Landhotels kredenzt Chef de Cuisine Michael Piotrowski seinen Gästen kulinarische und gutbürgerliche Gaumenfreuden und regionalen Wein. Bei schönem Wetter ist ein schattiges Plätzchen im Innenhof unter den alten Platanen einfach ein Traum und die richtige Belohnung für einen langen Wandertag. Die innovativen Besitzer sprudeln über von neuen Ideen, ein Blick in den Eventkalender macht neugierig! Küchenparty, Little Chef`s – Kochen mit Kindern, Feiertagsbrunch, Edelbrand Tasting, u.v.m. finden wir im auf dem Programm. Das Landhotel hat 30 moderne Zimmer und bietet Platz für 59 Gäste. Besonders interessant für Radler und Wanderer ist der buchbare Gepäcktransport. So kann der Urlaubstag mit leichtem Gepäck genossen werden, ein Lunchpaket ist optional buchbar.
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Und für süße Schleckermäulchen ein Geheimtipp an ausgewählten Samstagen und Sonntagen in den Sommermonaten: Das Weingutscafe im Weingut Wechsler Erben. Jutta Ahl verwöhnt die Besucher unter der alten Kastanie im romantischen Hof mit selbstgebackenem Kuchen und Kaffee. Natürlich darf der Wein oder eine erfrischende Schorle nicht fehlen. Ein besonderes Highlight ist hier das „Walking Wine Dinner“ mit Jutta. Aktuelle Termine sind auf der Website zu finden.
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Nachdenklicher Ausflug in die Vergangenheit
Osthofen ist unwiderruflich auch mit der Gedenkstätte KZ Osthofen verbunden. Auch wenn man gerne frohe und weinselige Gedanken in der Gegenwart genießt, sollte man hier unbedingt innehalten und die Gedenkstätte KZ Osthofen in der ehemaligen Papierfabrik besuchen. In diesen Gebäuden entstand kurz nach der Machtübernahme der NSDAP das KZ Osthofen, wo vom Frühjahr 1933 bis Sommer 1934 Gegner des NS-Regimes, allen voran Mitglieder der KPD, der SPD und Gewerkschafter, aber auch Angehörige des Zentrums, Juden, Zeugen Jehovas, Sinti und andere gefangen gehalten wurden. Im Mittelpunkt der Gedenkstätte steht die Dauerausstellung „Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz“. „Gedenken und Mahnen“ sind Ziele der Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung im „NS-Dokumentationszentrum in der Gedenkstätte KZ Osthofen.
Zitat von der Website: „Ein Besuch hier ersetzt zehn Stunden Geschichtsunterricht“ lautete die Aussage eines Lehrers nach einem Besuch mit seiner 10. Klasse in der Gedenkstätte KZ Osthofen.
Sehr eindrücklich und anschaulich taucht man ein, in eine Zeit, die von viel Leid und Unterdrückung geprägt war. Ob bei einem geführten Rundgang oder mit dem Audioguide erfahren wir von Schicksalen Osthofener Mitbürger und den politischen Hintergründen. Es gibt für Gruppen und Schulklassen individuelle Angebote, die ausführlich auf der Internetseite einzusehen sind. Sonderausstellungen ergänzen die eindrücklich dargestellte und interaktive Ausstellung.
Das Highlight steht ganz oben
Bevor wir auf dem RheinTerrassenWeg Osthofen in Richtung Bechtheim verlassen, ragt sie majestätisch aus den Weinbergen auf einer Anhöhe hervor: die imposanteste Miniaturburg der Kleinstadt – der „Leckzapfen“. 1891 im neugotischen Baustil errichtet, hat sie verblüffende Ähnlichkeit mit dem Württembergischen Märchenschloss Lichtenstein. 2009 wurde das Gebäude umfangreich renoviert und 2011 als „Schönstes Weinbergshäuschen Rheinhessen“ ausgezeichnet.
Nach einer Legende sollen die Weine dieses Terroirs schon im Mittelalter so hervorragend gewesen sein, dass der Kellermeister noch am Zapfen des Weinfasses geleckt hätte, damit kein Tropfen verloren ginge… 😉. Auch heute noch ist hier vorzüglicher Wein vom Weingut Kratz zu genießen. Ob beim regelmäßigen Weinausschank am Leckzapfen, dem „Weinhorizont“ oder dem alljährlich stattfindenden Hoffest „Leckzapfen live erleben“ – mit Weitblick in die untergehende Sonne schmeckt der leckere Tropfen besonders gut. Aus alter Tradition findet das Weingutsfest immer am letzten Backfischfestwochenende statt, von der Anhöhe ist das Feuerwerk in Worms ein toller Beobachtungsposten.
Termine am Leckzapfen findet Ihr auf der Website des Weinguts.
Zum krönenden Abschluss statten wir, über einen kleinen Schlenker, dem Ende des 19. Jahrhunderts erbauten Blümel-Häuschen einen Besuch ab. Das im normannisch-maurischen Baustil erbaute Türmchen ist einzigartig in der Region. Auch hier hat der Weinring Osthofen e.V. die jüngste Renovierung übernommen.
Mein Fazit:
Die Etappe auf dem RheinTerrassenWeg nach Osthofen ist eine leichte Wanderung mit aussichtsreichen Rastmöglichkeiten. Naturjuwelen können mit etwas Geduld entdeckt und bestaunt werden. In den Sommermonaten reichlich Einkehrmöglichkeiten mit hervorragender Küche. Für eine kurze Rast geht Eis eben immer – und das auch noch sehr lecker! Handy oder Foto nicht vergessen – Erinnerungsfotos lohnen sich besonders an den pittoresken Türmchen. Da Osthofen an die Bahnlinie angebunden ist, kann die Streckenwanderung beliebig lange begangen werden. Nützliche Hinweise dazu findet ihr auf der Website. Viel Spaß beim Wandern!