Auf den Spuren der jüdischen Geschichte in Worms

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Im Mittelalter war Worms – neben Mainz und Speyer – als „Jerusalem am Rhein“ bekannt. Warmaisa, so der jüdische Name für Worms, spielte eine wichtige Rolle im Judentum für die gesamte westeuropäische Region. Hier trafen sich bekannte Rabiner und es fanden bedeutende Konferenzen statt. Der bekannteste Gelehrte Raschi, Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040 – 1105), hat einige Jahre in Worms und Mainz gelebt.

Worms Raschitor
Worms Raschitor

Das Raschitor

Wenn man auf den Spuren der jüdischen Geschichte in Worms wandeln möchte, nimmt man am besten das Raschitor in der Karolingerstraße 22 als Ausgangspunkt. Sie befindet sich in nordöstlicher Richtung vom Stadtzentrum und von dort aus bietet sich ein Rundgang an. Das Raschitor ist ein Durchgang mit drei Torbögen durch die innere Stadtmauer von Worms. Der Durchbruch erfolgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts und durch das Tor gelangt man in das ehemalige Judenviertel.

Worms
Die Judengasse

Die Judengasse

Die Judengasse verläuft teilweise an der alten Befestigungsanlage entlang und die Häuser der Nordseite nutzen die innere Stadtmauer als Rückwand. Die Gasse war vom späten Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhundets das jüdische Ghetto von Worms, denn Juden mussten in dieser Gasse, die durch Tore von der übrigen Stadt getrennt war, wohnen. 1801 wurden die Ghettotore dann abgerissen. Im Hochmittelalter konnten Juden im ganzen Stadtgebiet Grundstücke erwerben und auch dort wohnen.

Der Blick in die Judengasse

Die Judengasse ist geprägt von schmalen Häusern mit zumeist drei Geschossen. Der Platz war beengt und deshalb wurde hoch gebaut. Heute sind weitgehend schmucke Häuser zu sehen, was vor allem daran liegt, dass ab den 1970er Jahren eine behutsame Altstadtsanierung vorgenommen wurde. Dabei wurde darauf geachtet, dass das Erscheinungsbild der Straße gewahrt blieb.

Die Wormser Synagoge

Die Synagoge

In westlicher Richtung erreicht man die Wormser Synagoge. Ein erster Synagogenbau wurde hier bereits 1034 eingeweiht und im Verlauf der späteren Jahrhunderte wurde dieser immer wieder erneuert oder erweitert. Im 12. Jahrhundert beispielsweise erfolgte ein Neubau im spätromanischen Stil. 1186 wurde die Mikwe, das kultische Bad, angelegt und der Anbau der Frauensynagoge erfolgte 1212/1213. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden die Vorhalle und das Talmudlehrhaus – auch Raschikapelle genannt – angegliedert.

Eingang zur Synagoge und Stiftungsinschrift der Frauensynagoge

In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde die Synagoge, wie alle jüdischen Gotteshäuser in Deutschland, von den Nationalsozialisten vollständig zerstört. Wormser Bürger sorgten dann dafür, dass sie von 1959 bis 1961 nach alten Plänen und teils mit Überresten wieder aufgebaut wurde. Die historische Stiftertafel des ersten Synagogenbaus ist an der Fassade zu sehen. In den 1990er Jahren siedelten sich wieder Juden in Worms an. Die meisten davon stammen aus der ehemaligen Sowjetunion. Dadurch finden hier wieder Gottesdienste statt und es werden wieder jüdische Feste gefeiert.

Innenraum der Männersynagoge

Die Männersynagoge ist ein zweischiffiger, rechteckiger und nach Osten ausgerichteter Saal. Genau in der Mitte befindet sich das Lesepult (Bima). An der Ostwand ist der Toraschrein, in dem die Torarollen mit dem ersten Teil der hebräischen Bibel untergebracht sind. Davor befindet sich das Ewige Licht (Ner Tamid). Die angegliederte Frauensynagoge ist deutlich niedriger und wird von einer zentralen Säule getragen. Die Männersynagoge wird heute für den Gottesdienst genutzt.

Das Raschi-Haus

Direkt hinter der Synagoge steht das Raschi-Haus an der Stelle, wo früher das Tanz- und Hochzeitshaus stand und vermutlich auch der Gelehrte Raschi um 1060 studierte. Es wurde auf dem original erhaltenen Gewölbekeller errichtet und beherbergt das jüdische Museum. Zu sehen sind dort wervolle Handschriften und kultische Geräte sowie eine Kopie des Wormser Machsors von 1272, ein sehr detailliert illustriertes Gebetbuch. Weitere Exponate geben Einblicke in das jüdische Leben und in die Zeit des Dritten Reiches. Im Raschi-Haus gibt es aktuell die Dauerausstellung „SchUm am Rhein – Vom Mittelalter in die Moderne“ und im Haus befindet sich auch das Wormser Stadtarchiv.

Stolpersteine in Worms

Stolpersteine

Kleine Pflastersteine aus Messing, „Stolpersteine“ genannt, erinnern an die Opfer des Naziregimes während des Dritten Reiches. Die Steine mit eingravierten Namen und Daten sind auf dem Boden vor den Häusern zu finden, in denen die Menschen zuletzt gewohnt haben. Viele davon waren Juden, die vertrieben, verschleppt und ermordet wurden. Das europaweite Projekt „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig wurde von „Warmaisa“, der Gesellschaft zur Förderung und Pflege jüdischer Kultur nach Worms geholt und jedes Jahr kommen neue Steine dazu. Eine Übersicht über alle verlegten Steine gibt es „hier“.

Jüdischer Friedhof „Heiliger Sand“

Der Jüdische Friedhof „Heiliger Sand“

Wenn man von der Synagoge aus in Richtung Südwesten läuft, vorbei am Marktplatz und dem Wormser Dom, dann kommt man im Willy-Brand-Ring an den Jüdischen Friedhof „Heiliger Sand“. Der älteste erhaltene jüdische Friedhof Europas weist rund 2.500 Grabsteine auf und er ist ein Wallfahrtsort für jüdische Besucher aus aller Welt. Die ältesten Grabsteine stammen von 1058/1059 und damit aus der ersten großen Blütezeit der jüdischen Gemeinde in Worms. Zahlreiche einflussreiche Gelehrte und Rabbiner sind hier beigesetzt.

Gräber auf dem jüdischen Friedhof

Der Ort war seit dem späten Mittelalter auch für die umliegenden Gemeinden ohne eigenen Friedhof eine Begräbnisstätte. Die Grabsteine zeigen eine Formensprache und Gestaltung, die es in dieser Form nur selten gibt. Im Gegensatz zur sonst üblichen Ostausrichtung der Grabsteine weisen die Gräber auf diesem Friedhof eine Ausrichtung nach Süden aus, was bislang noch nicht erklärt werden konnte.

Es lohnt sich die Spuren jüdischer Geschichte in Worms zu entdecken. Mit Jüdischem Friedhof, Synagoge, Raschi-Haus mit Jüdischem Museum und der historischen Judengasse bieten sich sehr sehenswerte Zeugnisse jüdischen Lebens in der Stadt, die einen Besuch in jedem Fall lohnen. Mehr Infos zum Thema gibt es „hier“.

4 Antworten

  1. Wir sind schon vor einigen Jahren mal auf den jüdischen Spuren durch Worms gegangen. Wir durften in die Synagoge und die Mikwe besichtigen. Ohne den Besuch des jüdischen Friedhofs geht kein Besuch in Worms zu Ende. Danke für die Informationen! Irmgard Edelhoff

    1. Hallo Irmgard Edelhoff, es freut mich, dass Sie die jüdischen Spuren in Worms schon erkundet haben und der jüdische Friedhof ist auch für mich ein ganz besonderer Ort in Worms. Viele Grüße, Heiko Müller

  2. Herzlichen Dank Heiko Müller, für diese interessante und konkrete Einführung und Zusammenfassung mit Fotos, die mich ermutigt, Worms bald wieder zu besuchen.

    Es ist zu begrüssen, dass deutsche Städte wie Worms, Erfurt, Köln, Berlin… sich bemüht haben, in den letzten 50 Jahren Spuren des deutsch-jüdischen Lebens wieder greifbar und sehenswert zu gestalten, die in grosser Zahl während der Zeit des Nazi-Terrors zerstört wurde.

    Marc Villain, Brüssel/Paris

    1. Vielen Dank Marc Villain, für die positive Rückmeldung und freut mich, dass Sie Worms bald wieder besuchen wollen. Ich denke auch, dass Rundgänge wie dieser in Worms zum deutsch-jüdischen Leben in der Stadt, die Möglichkeit bieten, dass Geschichte wieder greifbar wird und man dadurch eine Stadt viel genauer kennernlernen kann. Viele Grüße, Heiko Müller

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Aufgewachsen mit rheinhessischen und pfälzischen Wurzeln, erkunde ich Rheinhessen, die Pfalz und andere Regionen gerne bei Wanderungen, Radtouren und anderen Outdoor-Aktivitäten. Darüber berichte ich auf meinem Blog „People Abroad“ sowie für verschiedene Medien und Tourismusanbieter.

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