Der Kulturweg Petersberg ist ein leichte Wanderung, ideal für einen Ausflug zu zweit, mit der Familie, mit einer ganzen Gruppe und natürlich auch mit Hund. Manche einheimischen Winzer bieten für Gäste Weinproben auf der Bergspitze an, am Tisch des Weines. Der Themenweg wurde in den letzten Jahren neu konzipiert, genau wie die neun Prädikatswanderwege und der RheinTerrassenWeg
Am Fuße entlang
Der Wind weht über die Gerstenfelder und lässt die Ähren Richtung Wegesrand nicken. Es riecht nach Sommer. Wir haben gerade das Flüsschen Selz überquert und wandern aus Gau-Odernheim hinaus, vorbei an Schrebergärten, immer dem kleinen Zeichen „Kulturweg Petersberg“ nach. An einer alten Obstwiese lesen wir aud der ersten Infotafel etwas über die Gau-Odernheimer Ortsgeschichte und erfreuen uns an dem üppigen Rot des Klatschmohns. Eine ganze Wiese roter Tupfen. Die kleine Spitze des Petersberges haben wir bereits entdeckt. Der Petersberg ist mit seinen 246 Metern keine schroffe Felswand, keine majestätische Kulisse, die einem den Atem verschlägt. Er ist eher der höchste Hügel in einem sanften Hügelmeer. Ich denke an das Zitat, das ich einst hörte und so liebe „Rheinhessen ist keine stolze Rose; sondern eine Feldblume, eine paradiesische“, nicke zustimmend und laufe weiter. Der Weg führt uns zunächst am Fuße des Petersberges entlang, wir umkreisen ihn wie ein Galan seine Geliebte.
Die Natur darf atmen
Die ersten Rebstöcke flankieren unseren Weg. Auf dem Wörrstädter Kamm drehen die Windräder gemütlich ihre Runden. Wir lassen den Blick schweifen, entdecken brachliegende Flächen und werden sogleich von der nächsten Informationstafel aufgeklärt: Das Naturschutzgebiet „Im Briehl/Schafwiese“ wurde renaturiert. Der einst begradigte Bachlauf der Selz darf sich hier wieder natürlich schlängeln. Das erfreut Flora und Fauna sichtlich. Tatsächlich begegnen uns auf der Wanderung immer wieder kleine Flächen voller Blumen, Disteln und Kräuter. Die Weinberge wurden nicht streng bis zum Wegesrand gezogen. Die Natur darf atmen. Am Weg sitzen Heckenrosen, Holunderbüsche und Weißdorn. Dort fliegt ein Schachbrettfalter, hier klettert eine Hummel in den Kelch des Rittersporns. Es summt und schwirrt und brummt. Ein Winzer auf dem Traktor fährt vorbei. Auf der Sitzbank, unter dem Schatten eines Baumes, rasten Radfahrer. In den Obstplantagen warten T-Stangen auf Raubvogel-Besuch.
An der Quelle
Wir biegen vor Bechtolsheim nach rechts ab und folgen dem Pfad, obwohl das Dorf einen Besuch verdient hätte. Auf der schönen Langgasse watscheln die gusseisernen Gänse am Brunnen. Zahlreiche Weingüter laden zur Verkostung und Weinkauf. Im Kulturgut werden kleine Konzerte und Lesungen geboten. Die Simultankirche – also eine Kirche, die von beiden christlichen Konfessionen genutzt wird – ist wunderschön und ragt aus dem Dorfbild hervor. Wir sehen sie, erfahren auf der Informationstafel etwas über Wasser und stimmen uns bereits auf die erste kleine Rast „Am Brünnelchen“ ein. Blauer Eisenhut ist unser Wegbegleiter. Aus einer kleinen Bruchsteinmauer plätschert kühles Quellwasser hervor. Generationen von Winzern haben sich hier schon erfrischt und auch ich nehme einen kräftigen Schluck Wasser. Das Quellwasser stammt aus einem Reservoir unterhalb des naheliegenden Weinbergs und wird von versickertem Regenwasser gespeist. Angeblich haben bereits die Römer diese Quelle für ihre römische Villen an der Selz genutzt.
Auf den Berg
Nun geht es zum ersten Mal den Berg hinauf, nicht auf direktem Wege, sondern wieder in sanften Schwüngen. Man schwitzt, aber nur aufgrund der Sonne. Weinreben all überall. Die meisten sind wie mit dem Lineal gezogen, einige aber auch mit einem Knick versehen. Ganz klar, hier ist Rutschgebiet. Dem Winzer sicher ein Ärgernis, sieht es für den Wanderer wie eine ungebändigte Strähne in einem ansonsten sehr akkuraten Haarzopf aus. Auf einer Informationstafel erfahren wir etwas über die „Schenkung eines Weinberges unter der Königsherrschaft des Pippin, unter dem Abt Gundeland“. Eine alte Welt öffnet sich uns und der kleine Berggipfel kommt immer näher. Der Weg führt noch eine letzte kleine Runde durch einen schmalen Pfad mit Blickrichtung auf den Kloppberg. Eine Bank lädt ein zur Weitsicht Richtung Rhein und Odenwald. Ich trinke einen Schluck Wein und betrete mit Weinglas den Boden der ehemaligen Kirche auf dem Petersberg. Höhepunkt der Wanderung im wahrsten Sinne des Wortes. Die mittelalterliche Kirche wurde im 10. Jahrhundert im Stil einer dreischiffigen Basilika erbaut. Sie wurde im 30-jährigen Krieg zerstört, ein Archäologe grub ihre Überreste ab 1947 wieder aus. Ein Steinmetz bildete Teile der Krypta denkmalgerecht an Ort und Stelle nach. Eine Silberdistel huldigt dem Ort mit ihrer Schönheit.
Mindestens genauso beeindruckend ist das Panorama des heutigen Rheinhessens. Am Fuße des kleinen Berges hätte man das nicht erwartet. Doch nun zeigt sich, dass der Petersberg zurecht eine der höchsten Erhebungen des Anbaugebietes ist. Über das Alzeyer Land – mit Weinbergen, Feldern, kleinen Dörfern und Städten – geht der Blick weit Richtung Donnersberg in der Pfalz, mit seinen 686 Metern fast dreimal so hoch wie der Petersberg. Ebenfalls gut sichtbar ist der Gebirgszug des hessischen Taunus mit dem „Großen Feldberg“ auf 878 Metern Höhe. Unweit von der Weltstadt Frankfurt samt europäischem Drehkreuz, dem Frankfurter Flughafen. Dicke Wolken ziehen vorüber und geben dem Panorama eine gewisse Dramatik, ein Spiel aus Licht und Schatten. Auf dem Gipfel steht kein Gipfelkreuz, an das man sich lehnen könnte. Dafür ein kleiner Steinsockel, auf dem vermutlich schon jeder Einheimische einmal gesessen hat und der auch gerne als Abstellplatz für Weingläser und Weinflaschen genutzt wird. Gerade hat ein junger Winzer hier für eine Gruppe Touristen Silvaner ausgeschenkt. Sie ziehen weiter und ich setze mich auf den Sockel und genieße die Aussicht. Mein Partner liest indes einige der hier zahlreichen Infotafeln, über „Geologie am Petersberg“ oder „Manche mögen´s heiß – Pflanzen und Tiere auf dem Petersberg“
Nun geht es geradewegs den Berg hinunter. Es empfiehlt sich definitiv diese Laufrichtung des Rundweges. Kann man so doch das Panorama beim Abstieg weiter genießen, anstatt es beim Aufstieg im Rücken zu haben. Wanderer finden hier, noch auf Höhe des Berges, zwei hölzerne Ruheliegen für ein Schläfchen. Größere Gruppen können am Tisch des Weines Platz nehmen. Wir trinken unsere Weingläser aus, lesen auf der Informationstafel etwas über das „Ganerbschaftliche Bechtolsheim“, kommen an einem schönen Weinbergshäuschen vorbei und laufen in Richtung “Herrgottspfad”. Dies ist der romantischste, wildeste Abschnitt des Weges. Büsche und Bäume drängen sich an den Pfad, der so eng ist, dass er ausschließlich für Wanderer gedacht ist. Der Herrgottspfad trägt seinen Namen aufgrund der Prozessionen, die seit Jahrhunderten an kirchlichen Festtagen auf den Berggipfel führten und immer noch führen. Wilde Kamille blüht am Wegesrand. Wir entdecken eine weiße Turmschnecke. Ganz sicher huschen Eidechsen ins Gebüsch und verstecken sich vor uns.
Innerhalb von wenigen Minuten sind wir wieder auf Dorfhöhe angekommen. An eine Lösswand duckt sich ein fast identisches Weinbergshäuschen wie auf der Anhöhe, aus hellem Sandstein gemauert und mit Rundbogen-Dach. Weinreben umranken die kleine Schutzhütte und eine blau-gelbe Kachel sitzt plakativ auf ihrer Stirn – die Jakobsmuschel, das Zeichen der Pilger. Der rheinhessische Jakobsweg führt von Bingen nach Worms. Von der Spitze des Petersberges könnte man quasi die gesamte mehrtägige Strecke überblicken. Am Häuschen findet sich eine Informationstafel über die „Vor- und Frühgeschichte Gau-Odernheims“, dazu wiederum ein Tisch des Weines für durstige Gruppen. Wir setzen uns diesmal nicht nieder, sondern laufen am Wegeskreuz vorbei, erhaschen noch einen Blick auf die Informationstafel „Herrgottspfad“ und nehmen Kurs auf den Gau-Odernheimer Kirchturm. Er markiert zugleich den kleinen Marktplatz mit Brunnen. Wir gönnen uns dort ein Eis. Hungrige finden zahlreiche Gaststätten im Dorf und natürlich wieder gute Winzer für Weinprobe und Einkauf ab Hof.
Streckeninfos:
7 km lange Rundwanderung, etwa 2 Stunden Laufzeit. Start: Parkplatz an der Petersberghalle in Gau-Odernheim. Insgesamt 20 Informationstafeln, mehrere Bänke und Ruheliegen sowie 2 lange Tische des Weines. Sonnenschutz und Wasser nicht vergessen!
Fotos: Horst Klavinski