Vor dem Beginn der Nibelungenfestspiele 2022 habe ich Petra Simon getroffen. Sie ist die künstlerische und technische Direktorin der Festspiele. Damit ist sie verantwortlich für alle Entscheidungen vor und hinter der Bühne. So hat sie schon eine Vielzahl der Aufführungen begleitet und gesehen.
Diesem Anfang liegt ein Zauber inne.
Seit 2002 gibt es die Nibelungenfestspiele in Worms. Die Idee der Gründer sei es gewesen, diesen Schatz, der mit der Nibelungensage an Worms geknüpft ist, aufleben zu lassen. Die Nibelungenstadt bietet den Originalschauplatz der Sage. Hier vor dem Kaiserdom haben die Königinnen gestritten. An der fast gleichen Stelle vor dem Dom finden nun jedes Jahr die Nibelungenfestspiele statt.
„An das künstlerische Gespür der Gründer rundum Mario Adorf glaubte man schon zu Beginn“, erzählte mir Frau Simon. Mit den Jahren sind die Nibelungenfestspiele aber immer weitergewachsen und haben bewiesen, welche Strahlkraft sie haben. Auf der Bühne standen im Laufe der zwei Jahrzehnte bekannte Schauspieler aus Theater und Fernsehen wie Uwe Ochsenknecht, Oscar Ortega Sánchez, Roland Renner, Jürgen Prochnow, Klaus Maria Brandauer und Schauspielerinnen wie Katja Weizenböck, Alexandra Kamp und Jasmin Tabatabai. „Die Künstler und Künstlerinnen kommen gerne wieder, um am Kulturprogramm teilzunehmen. Oder sie besuchen ihre Freunde und Kollegen und schauen sich die Aufführung an.“ So kann man die Berühmtheiten nicht nur auf der Bühne beobachten, sondern auch auf der Tribüne oder im Heylshofpark treffen.
Jedes Jahr aufs Neue
Kein Jahr gleicht dem anderen, denn jedes Mal wird ein neues Stück aufgeführt. Immer geht es um die Nibelungengeschichte, doch jedes Stück behandelt diese auf eine andere Art und Weise. Damit wird auch jedes Jahr ein neuer Schwerpunkt gesetzt und ein neues Thema für die gesamten Nibelungenfestspiele und das Kulturprogramm festgelegt. 2022 ging es im Stück „hildensaga. Ein Königinnendrama“ um die Frauen der Nibelungensage.
Einige Eindrücke aus der Inszenierung von 2022:
Vom 7. bis 23. Juli 2023 wird das neue Stück der Dramatikerin Maria Milisavljević, „BRYNHILD“, uraufgeführt. In konsequent gegenwartsbezogener Lesart schreiben Brynhild und Siegurd darin ihre Geschichte neu. Als große Liebesgeschichte, als Familiendrama, als Tragödie, als Krimi. Man darf gespannt sein, wie es gelingt, den bekannten Stoff mit seiner ganzen archaischen Kraft modern und neu zu erzählen.
Nicht nur die Zuschauer sind immer wieder aufs Neue voller Erwartungen, was diesmal passiert. Auch Frau Simon ist jedes Mal gespannt, wie genau die Inszenierung umgesetzt ist. Mal geben die Stücke selbst vor, auf welche Art die Sage interpretiert wird. Ein anderes Mal ist es der Regisseur oder die Regisseurin, die das Werk auf eine eigene Weise betrachtet. Frau Simon erinnert sich noch an das Jahr 2004, als Karin Beier einen Teil des originalen Hebbel Stücks inszenierte und in das alte Werk eine neue Note brachte.
Auch wenn im Vorfeld das Thema der diesjährigen Nibelungenfestspiele und einige Besonderheiten bekannt waren, dann entsteht doch immer wieder aufs Neue diese bestimmte Magie, wenn das Stück beginnt. Ganz bestimmt wird jedes Mal etwas passieren, mit dem man so nicht gerechnet hat und das einen in den Bann ziehen wird.
Seit den letzten 20 Jahren schaut nicht nur die künstlerische Szene jedes Jahr nach Worms und erwartet ein neues Spektakel. Die Stadt ist mittlerweile für die Nibelungenfestspiele nicht mehr nur deutschlandweit bekannt. Frau Simon erzählt mir, dass inzwischen ebenfalls das Team hinter den Kulissen immer internationaler werde. Übrigens auch eine kleine Besonderheit. Weil Worms kein festes Theater hat, werden jedes Jahr aufs Neue für die Festspiele alle Gewerke, die es für die Aufführung braucht, neu besetzt und Teams zusammengestellt. Das sei immer wieder eine kleine Herausforderung, fördere aber auch die Kreativität. Bei den Nibelungenfestspielen kommen hinter den Kulissen und auf der Bühne Menschen zusammen, die es für genau dieses Stück braucht.
Der Dom – Hauptdarsteller oder Hintergrund
Die eine Atmosphäre während der Aufführung vor dem Dom gäbe es nicht oder zumindest fällt es Frau Simon schwer, sich auf nur eine festzulegen. Jedes Stück, jeder Regisseur und jede Regisseurin interpretieren den Dom auf eine andere Art und Weise. Mal ist er der Hauptdarsteller, mal nur Kulisse, aber immer passiert über den Abend hinweg etwas mit dem Dom und der Stimmung.
Sitzt man in einem Theater, dann ist alles perfekt ausgeleuchtet und die Lichtstimmung ist genau so, wie der Regisseur und der Beleuchter es sich vorstellen. Die Aufführung des Stücks der Nibelungenfestspiele beginnt um 20:30 und endet gegen 23:30 Uhr. Die Open-Air Bühne wird dabei nicht nur von den angebrachten Scheinwerfern, sondern auch von der Sonne und dem Mondlicht beeinflusst. Wenn die Nacht hereinbricht, werde man immer tiefer in das Stück und den Dom hineingezogen. Gleichzeitig entstehen diese unbeschreiblich magischen Momente, wenn der Vollmond über dem Dom strahlt oder Wind genau an der packenden Stelle des Monologs durch die Blätter der Bäume fährt. Jede Vorstellung wird dadurch anders als die nächste und einzigartig.
Frau Simon versichert mir: „Man kann von jedem Platz aus gut sehen. Selbst in der letzten Reihe kann man durch die Übertragung auf den LED-Wänden die Mimik der Schauspieler und Schauspielerinnen verfolgen.“ Je weiter hinten man sitzt, um so mehr kann man die gesamte Kulisse der Bühne vor dem Dom auf einen Blick erleben.
Wenn die Reihen auf der Tribüne sich füllen, dann sind – auch wenn es noch nicht losgeht, bereits alle Augen nach vorne auf die Bühne vor dem Dom gerichtet. Kein Vorhang versperrt die Sicht. Das Bühnenbild und die Kulisse vor dem Dom sind die ganze Zeit präsent und versprühen schon diese gewisse Atmosphäre. Das Stück beginnt und direkt mit dem ersten Ton, der ersten Schauspielerin, dem ersten Schauspieler, dem ersten Satz kehrt Ruhe ein und alle sind gefesselt.
Die Magie in der Pause
Nicht nur die Bühne und die Tribüne, die extra vor dem Kaiserdom aufgebaut werden, sind eine echte Besonderheit. Das Open-Air-Foyer im Heylshofpark ist einzigartig. Der Focus hat es bereits zum schönsten Theaterfoyer Deutschlands gekürt.
Das Grün der Bäume, leise Musik von Künstlern, mittendrin die großen Lutherschuhe und der Brunnen, der extra für die Festspiele mit rot eingefärbtem Wasser läuft. Frau Simon beschreibt es so schön: „Es entsteht ein Gesamterlebnis. Wenn man vorne durch den wunderschönen Park geht, dann zur Tribüne und sich das Stück anschaut.“ In der Pause und nach der Aufführung hat man noch mal die Chance, den Heylshofpark beleuchtet zu erleben und zu verweilen. Mit einem Flanierticket könnt Ihr die Möglichkeit nutzen, den Park während der Festspiele auch ohne einen Besuch der Inszenierung zu erleben. Natürlich genießt Ihr hier nicht nur das Ambiente, sondern auch rheinhessischen Wein und ein gastronomisches Angebot. Ergänzend buchbare Arrangements bieten mit der Wein-Lounge und Dinner im Park zusätzliche tolle Angebote.
Theater trifft Festspiele
Eine Bühne, Schauspieler und ein Stück – das sind alle klassischen Elemente einer Theateraufführung. Aber die Nibelungenfestspiele sind so viel mehr. Es bietet sich ein einzigartiges Erlebnis. Die Erinnerungen an diesen Abend sind im Nachgang kaum in Worte zu fassen. Auch Frau Simon fällt das bei unserem Gespräch schwer, als ich sie nach ihren liebsten Momenten aus den letzten Jahren frage. „Es ist die gesamte Atmosphäre und jedes Stück, das für sich so einzigartig ist.“ Nach ein wenig Nachdenken sind es dann einzelne Szenen aus Inszenierungen, die ihr in Erinnerung geblieben sind. Eine einzelne Szene, in der Schauspieler und Schauspielerinnen, die Kostüme und die gesamte Kulisse mit dem Dom diese einzigartige erinnerungswürdige Situation geschaffen haben.
Alles zum aktuellen Stück der Nibelungenfestspiele und dem Kulturprogramm erfahrt Ihr auf der Seite der Wormser Nibelungenfestspiele.