Sie ist die faszinierendste Frau des Mittelalters: Hildegard von Bingen war eine vielfältig interessierte Äbtissin. Bekannt ist sie vor allem für ihre theologischen Schriften und Visionen sowie ihr Wissen um Heilpflanzen. Ihre einstige Wirkungsstätte, das Kloster Rupertsberg in Bingen, wurde mithilfe eines multimodalen Fahrstuhls wieder zum Leben erweckt. Mit Dr. Matthias Schmandt, Museumsleiter des Museums am Strom, begebe ich mich auf Spurensuche.
Villa Rupertsberg: Was vom Kloster übrigblieb
Wo heute die Villa Rupertsberg gut versteckt in einem Innenhof steht, befand sich im 12. Jahrhundert das von Hildegard gegründete Kloster Rupertsberg. Nur fünf Arkaden überdauerten Krieg, Zerstörung und Umbau. Jahrelang befand sich das Gebäude in Privatbesitz; die Arkaden wurden einfach zugemauert. Nun sind die letzten Relikte des ehemaligen Klosters wieder freigelegt worden. „Hier hat Hildegard gelebt und gewirkt. Hier wird sie endlich für alle greifbar“ erzählt Museumsdirektor Dr. Schmandt.
Seit Mai 2023 ist die Villa Rupertsberg für Besucher geöffnet. Beim Betreten des Gebäudes wird mein Blick direkt auf die aufwendig gestalteten Wandtapeten gelenkt. Ich habe das Gefühl, als ob ich von einer Empore hinab in den Altarraum schaue. Tatsächlich lag der Altarraum damals einige Meter tiefer. In das Gebäude ist außerdem das Stadtarchiv gezogen mit Leseecke und einer kleinen Ausstellung zur Geschichte des Rupertsbergs. Das Highlight ist aber ein ganz besonderer Raum, der das Kloster zum Leben erweckt: Der Fahrstuhl in die Vergangenheit.
Abtauchen ins Mittelalter
Ich betrete den dunklen Raum, indem fröhliche Fahrstuhlmusik vor sich hin dudelt. Wählt man auf einem kleinen Touchscreen „Start“ aus, geht es auch schon los. Innerhalb von wenigen Sekunden reise ich 900 Jahre zurück in die Vergangenheit, natürlich nur virtuell. Auf insgesamt drei Bildschirmen, die wie Fenster aussehen, fahren Betonwände an einem vorbei und der Besucher findet sich plötzlich im südlichen Seitenschiff der Kirche wieder. Ruhige Kirchengesänge erfüllen den Raum. Ich weiß gar nicht, auf welchen der Bildschirme ich zuerst schauen soll. Ich versuche alle drei Bildschirme im Blick zu haben, merke aber schnell, dass das nicht funktioniert. Also konzentriere ich mich abwechselnd auf ein Fenster. Die Visualisierung in Kombination mit der Musik wirkt so echt, dass ich das Gefühl habe, tatsächlich in einer Kirche zu stehen.
Es gibt so viel zu entdecken: Egal, ob der Blick vom Kirchturm oder der Gang durch das Kirchenschiff: Hier wurde mit viel Liebe zum Detail gearbeitet. Aber woher weiß man denn, wie das Kloster aussah? „Genau wissen wir es natürlich nicht. Wir haben uns aber von ähnlichen Bauwerken inspirieren lassen, wie dem Fußboden der Klosterkirche in Sponheim“, erklärt Dr. Schmandt. Wichtig sei ihm vor allem eines: Gutes Storytelling, das gut erforscht ist. Besonders hat es mir der Klostergarten angetan. Wer genau hinschaut, erkennt die ein oder andere Heilpflanze, die auch im Kräutergarten rund um die Villa wächst. Auf die Frage, ob auch er eine Lieblingsstation hat, kann der Museumsdirektor sogar zwei nennen: „Den Blick tief in die Kirche und den Vorplatz, auf dem das profane Leben stattfand, finde ich sehr gelungen.“
Eine Reise mit dem Fahrtsuhl dauert etwa 15 Minuten, je nachdem, wie viel Zeit man sich für die einzelnen Stationen nimmt. Fünf bis sechs Personen passen bequem hinein. Besonders gut gefällt mir an dem Rundgang, dass die Stationen nach Belieben ausgewählt und wiederholt werden können. Finanziert wurde das Projekt unter anderem im Rahmen des EU-Förderprogramms LEADER. Übrigens ist der Fahrstuhl in die Vergangenheit auch für den Tourismuspreis Rheinland-Pfalz 2023 in der Kategorie Projekt des Jahres nominiert. Ich drücke ganz fest die Daumen!
Noch nicht genug von Hildegard?
Wer mehr über die Heilige Hildegard erfahren will, sollte auch dem Museum am Strom einen Besuch abstatten. Vom Binger Hauptbahnhof erreicht man in nur wenigen Gehminuten das Museum direkt am Rheinufer. Für Gruppen bis max. 25 Personen wird eine Kombiführung angeboten, die zuerst durch die Ausstellung im Museum am Strom und anschließend in den Fahrstuhl führt. Auf Wunsch ist auch ein Bustransfer möglich. Ideal für diejenigen, die nicht ganz so gut zu Fuß sind. Wer nur den Fahrstuhl in die Vergangenheit nutzen will, ist mit 2 Euro dabei.
Öffnungszeiten und Führungen
Öffnungzeiten:
Ab Oktober: Dienstags bis donnerstags sowie sonntags von 14 bis 17 Uhr. An Feiertagen ist geschlossen.
Kombiführung Museum am Strom und Villa am Rupertsberg
In der großen Hildegard-Ausstellung im Museum am Strom wird zuerst das gesamte Leben und Wirken der großen Prophetin anschaulich vermittelt. Dann geht es an die Original-Wirkungsstätte am Rupertsberg, wo jetzt in den Überresten der Hildegardkirche ein neuer Geschichts-Erlebnisort entstanden ist: Der „Fahrstuhl in die Vergangenheit“ fährt mitten hinein in das Kloster des 12. Jahrhunderts – und lässt die Lebenswelt Hildegards plastisch an Ihnen vorbeiziehen. Der geführte Weg zwischen Museum und Villa bietet Gelegenheit, die Geschichte des Klosters kennenzulernen (auch Bustransfer möglich). Es besteht auch die Möglichkeit, den „Hildegarten“ am Museum und das „Rupertsberger Gewölbe“ in die Führung einzubeziehen.
Führungsdetails:
Dauer: ca. 2 ¼ Stunden
Gruppengröße: max. 25 Personen
Preis pro Gruppe: 90 € zuzgl. Eintritt
Termin: ganzjährig buchbar unter Tel. 06721/184353 (Di-So, Museum am Strom) oder 06721/184200 (Mo-Sa, Bingen Tourismus & Kongress GmbH)
Weitere Informationen gibt es unter www.bingen.de/hildegard-kloster oder auf diesem Flyer zu Villa Rupertsberg.
2 Antworten
Sehr geehrte Damen und Herrn,
Ich bin am Besuch der Villa Rupertsberg mit dem Fahrstuhl durchbisse Zeit interessiert.
Wäre es möglich eine 1 stündige Führung für 12 Personen für 18:30 Uhr am 13.08. zu buchen?
Mit freundlichen Grüßen
Monika Dillmann
Liebe Frau Dillmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Bitte wenden Sie sich bzgl. der Führung direkt an das Museum am Strom in Bingen. Die Kontaktdaten finden Sie im Blogbeitrag. Herzliche Grüße, Annkatrin König