Ende April beginnt die Spargelzeit
Es ist Pfingstsamstag und ich bin auf dem Weg nach Eich. In der beliebten Ferienregion rund um den Eicher See besuche ich den Hof von Jürgen Beckenbach. Er ist Landwirt in dritter Generation und bewirtschaftet rund 200 ha Land. Kartoffeln und Zwiebel sind sein Kerngeschäft, doch von April bis Ende Juni dreht sich auch bei „Beckenbachs Kartoffeln & Gemüse“ alles um den Spargel.
Belebte Zeiten auf Beckenbachs Hof
Noch bevor ich in den weitläufigen Hof einbiege, sehe ich die Menschenschlange vor dem geöffneten Garagentor. „Spargelzeit ist die belebteste Zeit auf unserem Gelände“, wird mir Jürgen Beckenbach später erzählen. Außerhalb der Spargelsaison gibt es hier keinen Hofladen, dafür aber ein schnuckeliges „Kartoffellädchen“, an dem sich seine Kunden jederzeit in Selbstbedienung mit frischen Kartoffeln und Zwiebeln versorgen können.
Inmitten des Spargel-Trubels nimmt sich Jürgen Beckenbach Zeit für unser Gespräch. Der Kontakt zu seinen Kunden ist ihm ebenso wichtig, wie die Qualität seiner Waren. Neben uns läuft die Spargel-Sortiermaschine, scannt fein säuberlich jede einzelne Stange und legt sie behutsam in den entsprechenden Güteklasse-Behälter ab. Egal ob Klasse I oder Klasse II, weiß oder grün – Beckenbachs Spargel sehen köstlich aus.
Erlebnis Spargelkauf
Zweimal täglich gehen seine acht Erntehelfer aufs Feld stechen. Fünf weitere Mitarbeiter verarbeiten den Spargel feldfrisch in der Halle – direkt vor den Augen der Kundschaft. „Die Idee, die Kunden hautnah an der Verarbeitung des Spargels teilhaben zu lassen, entstand vor etwa sieben Jahren“, erzählt Beckenbach, während wir vor der Spargel-Schälmaschine stehen und ich die ausgeklügelte Technik bestaune. Es ist spannend, den Prozess „vom Feld bis in den Einkaufskorb“ mit zu verfolgen – wo kann man das noch in Zeiten von Großbetrieben und globalen Handelsketten?
Auch Beckenbachs Betrieb ist nicht klein und doch, oder gerade deshalb, ist ihm das Bewusstsein für regionales Gemüse und die Wertschätzung der heimischen Landwirtschaft besonders wichtig. Die Direktvermarktung ist ein gutes Mittel, den Blick für saisonale Produkte aus der Region zu schärfen. Beim Spargel funktioniert das seit Jahrzehnten besonders gut – kaum ein anderes Produkt verkauft sich so gut über Hofläden und Stände wie das „weiße Gold“. Bei Beckenbachs wird der Spargelkauf gleich zu einem Erlebnis!
Philaroma = Viel Aroma
Das Motto „Erlebnis Landwirtschaft“ haben sich auch Margarete Jost und Markus Kirn auf die Fahne geschrieben. Gemeinsam führen sie den Betrieb Wiesenobst in Ingelheim – besser bekannt als „Philaroma“. Mit ihren drei Kindern treffe ich sie auf ihrem Erdbeerfeld. Es sind fast 30 Grad, die Sonne brennt und doch ist der kleine Parkplatz gut gefüllt.
Erdbeer-Paradies auf zehn Hektar
„Das ist unser Feld für Selbstpflücker“, erklärt mir Markus Kirn, der vor rund zehn Jahren die Idee für den Erdbeer-Anbau in die Familie brachte. Auf zehn der insgesamt 30 Hektar Fläche baut „Philaroma“ mittlerweile Erdbeeren an und ist damit der einzige Betrieb in ganz Ingelheim.
Wie viele andere Obstbauern in der Region war auch Wiesenobst ursprünglich auf Stein- und Kernobst ausgerichtet. Markus Kirn jedoch sah das große Potential der Erdbeere. „Erdbeeren müssen frisch gegessen werden, am besten direkt vom Feld“, sagt Kirn, womit auch die Idee des Selbstpflückens schnell erklärt ist.
Wie Jürgen Beckenbach liegt es auch ihm am Herzen, Menschen für regionale, frische und vor allem nachhaltig produzierte Produkte zu begeistern: „Man lernt den Wert einer Ware besser schätzen, wenn man sie selbst erntet, wenn man sieht, wo sie herkommt und wenn man erkennt, was Wetter oder andere Umwelteinflüsse bewirken“.
Aus der Hand direkt ins Körbchen
Das Selbstpflücken der Erdbeeren wird gut angenommen. Knapp 20 Prozent der Philaroma-Erdbeeren wandern direkt von der Kundenhand in deren Körbchen. Dass die ein oder andere dabei auch im Mund verschwindet, nehmen Margarete Jost und Markus Kirn mit einem verständnisvollen Lächeln in Kauf. „Unsere Kunden sollen ja wissen, was sie bekommen. Wir haben viele verschiedene Sorten, da ist das Probieren schon mal erlaubt“, so Jost.
Von April bis Oktober reifen auf ihren Feldern die roten aromatischen Früchte. Was nicht über das Selbstpflücker-Feld verkauft wird, wird täglich frisch in ihre Straßenstände oder in andere regionale Hofläden geliefert. Direktvermarktung par excellence!
In den Hofläden wird es bunt
Dominierten im April und Mai durch Spargel und Erdbeeren noch die Farben weiß und rot an den Straßenständen und in Hofläden, so wird das Sortiment ab Mitte Juni langsam bunter. Von Kirschen, Aprikosen, Pfirsichen und verschiedenen Beeren bis hin zu Äpfeln, Birnen, Zwetschgen, Mirabellen und Quitten – es beginnt die Hochsaison im rheinhessischen Obstanbau und damit auch die Hochsaison bei „Gottschalk Obst“. Seit 100 Jahren bewirtschaftet der Familienbetrieb Obstplantagen rund um Ingelheim und verkauft seine Produkte im eigenen Hofladen.
Dort treffe ich Elli Gottschalk. Sie ist die gute Seele des Betriebs und Frontfrau, wenn es um den Vertrieb von Gottschalk Obst geht. 2011 haben ihr Mann Micha und sie den Hof ihrer Schwiegereltern übernommen und – wie auch schon in den Jahren zuvor – kontinuierlich weiterentwickelt. Das Obst-Sortiment, das auf Gottschalks Plantagen wächst, ist vielfältig.
In den Regalen von „Elli’s Hofladen“ liegt ab Juni fast alles, was der rheinhessische Obstgarten zu bieten hat. Mit ihrem kleinen Obst-Laster ist Elli Gottschalk auf Märkten in der Region oder auf Festen unterwegs verkauft ihr köstliches Angebot und nimmt sich gerne die Zeit für ein nettes Schwätzchen.
Schwärmen für die Direktvermarktung
„Der Direktvertrieb geht gut. Das Bewusstsein für regionales Obst und die Bereitschaft, dafür auch ein bisschen mehr zu bezahlen, ist gestiegen“, freut sich Elli Gottschalk und verweist auf einen weiteren Vertriebsweg, der ihr sehr am Herzen liegt: Die Marktschwärmer. Das Motto der bundesweiten Bewegung, die mittlerweile schon mehr als 120.000 Mitglieder zählt, lautet „Fairer einkaufen. Besser essen“ und ist ein Paradebeispiel für Direktvermarktung.
„Es ist ein regionales Netzwerk aus Verbrauchern und Erzeugern, mit dem Ziel direkten Zugang zu regionalen Lebensmittel für alle zu schaffen“, erklärt sie die Idee. „Einfach online bestellen, bezahlen und seine Ware an den entsprechenden Abholtagen in Empfang nehmen.“
Nur 100 % Fruchtsaft kommt in den Kanister
Trotz ihres erfolgreichen Direktverkaufs, hat auch Gottschalk Obst mit den aktuellen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Immer niedrigere Marktpreise, steigende Kosten durch Mindestlöhne und immer mehr Regularien von Seiten der Politik machen es den Obstbauern schwer. „Man muss sich Nischen suchen“, sagt Gottschalk.
„Wir haben uns neben unserem klassischen Obstanbau auf die Saftherstellung spezialisiert.“ 100 % Fruchtsaft, ohne Zusatzstoffe – bei Gottschalk Obst entspricht dies zu 100 % der Wahrheit. „Wer möchte, kann auch sein eigenes Obst bringen, verarbeiten lassen und seinen Saft mit nach Hause nehmen – das ist ein einmaliges Angebot in der ganzen Region.“
Begeisterung für Regionales
Mit einem prall gefüllten Einkaufskorb verlasse ich den Hof der Gottschalks. Meine Gespräche in den drei Betrieben – die hier nur beispielhaft für eine Vielzahl rheinhessischer Obst- und Gemüsebauern stehen – haben mir einmal mehr den Blick für die Vielfalt und Qualität heimischer Produkte geweitet und mir gezeigt, wie viel Freude es machen kann, Obst und Gemüse in Hofläden oder Straßenständen zu kaufen.
Mein Fazit: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Das gilt auch, oder vielleicht ganz besonders, für den täglichen Einkauf!
2 Antworten
Sehr schön geschrieben und auch tolle Bilder. Weiter so!
Ganz liebe Grüße vom Altrhein.
Mir gefallen ja besonders die Automaten: Eier-Automat, Milch-Automat und immer wieder auch ein Wein-Automat! so klasse und direkt vom Erzeuger