Genau das habe ich gemeinsam mit der sympathischen Gästeführerin Sandra Wilhelm getan. Sie hat mir versteckte Details und persönliche Lieblingsorte gezeigt und verraten, warum der Dom zu Worms einmal im Jahr Mittelpunkt großen Dramas ist.
Im Zentrum des Geschehens
Ich bin unterwegs nach Worms, um einen der drei rheinischen Kaiserdome zu besuchen. Da er im 11. Jahrhundert auf dem höchsten Punkt der Innenstadt errichtet wurde, weisen mir seine Türme schon von Weitem den Weg. Vor dem imposanten Nordportal, auch Kaiserportal genannt, bin ich mit Sandra Wilhelm verabredet. Sie ist seit über 20 Jahren Gästeführerin der Stadt Worms und kennt das Gotteshaus wie kaum eine andere. Die Liebe zu Kirchen und Sehenswürdigkeiten wurde ihr in die Wiege gelegt. Ihr Vater habe sich an den Wochenenden immer gerne neue Orte angeschaut und ihre Mutter sei selbst Gästeführerin in Worms, lacht sie.
Mein Blick schweift über den Schlossplatz. Während Wormser Bürger ihren täglichen Erledigungen nachgehen, versuchen Besucher der Stadt die mächtigen Ausmaße des Gotteshauses auf einem Foto einzufangen. Es herrscht geschäftiges Treiben und das sei schon immer so gewesen, erzählt Sandra Wilhelm. Damals wie heute war der Dom ein zentraler Ort der Stadt, an dem gelebt, gehandelt, Recht gesprochen und Glaube sichtbar wurde. Und er war ein Ort, an dem gestritten wurde …
Dramatik am Dom
An der Nordseite des Wormser Doms spielte der „Streit der Königinnen“ im Nibelungenlied. Wie passend, dass genau hier auf dem Schlossplatz einmal im Jahr die Bühne der renommierten Nibelungen-Festspiele aufgebaut wird. Hochkarätige Schauspieler erzählen die mittelalterliche Heldensage um Siegfried, Kriemhild, Brünhild und Hagen aus immer neuen Perspektiven, während der aufwendig illuminierte Kaiserdom beständig für eine beeindruckende Kulisse sorgt.
Sandra Wilhelm gerät ins Schwärmen, als sie mir von ihren alljährlichen Besuchen des Open-Air-Theaterfestivals berichtet: „Das Ambiente rund um den Dom ist sehr schön, gerade wenn man abends in den Heylshofpark geht, ein Gläschen Wein trinken kann und Freunde trifft.“ Während wir einmal um den Dom herumspazieren, zeigt mir die Gästeführerin, wo Freiluftbühne, Garderobe und Catering aufgebaut werden, und wie sich der kleine Park vor uns in das wohl schönste Theaterfoyer Deutschlands verwandelt.
Versteckte Details
Wir betreten die Kirche über das südliche Hauptportal, ein Meisterwerk der gotischen Bildhauerkunst. „Das Besondere am Wormser Dom ist, dass man hier über 1000 Jahre Geschichte, vor allem Baugeschichte und Kunstgeschichte, auf ganz kleinem Raum erleben kann“, so die Gästeführerin. Im Bogenfeld des Portals erklärt sie mir zunächst die steinerne Bilderbibel und deutet anschließend auf einen kleinen Dackel, der mir erst jetzt auffällt.
Ich staune nicht schlecht, als Sandra Wilhelm die Geschichte dahinter verrät. Der treue Hund des Dombaumeisters Philipp Brand, der das Bauwerk in den 1920er-Jahren renovierte, habe ihn vor herabfallenden Gesteinsbrocken gewarnt und ihm somit das Leben gerettet. Aus Dankbarkeit wurde der Dackel am Haupteingang verewigt. Sie schmunzelt und merkt an, dass ihr genau das bei Führungen am meisten Spaß mache: den Blick auf die Dinge zu lenken, die nicht immer sofort ins Auge fallen.
Verwurzelte Kultur und einzigartige Geschichte
Nun führt sie mich zu ihrem persönlichen Lieblingsort im Dom, den Steinbildern im nördlichen Seitenschiff. Vor dem Relief der Wurzel Jesse, einem Stammbaum Jesu Christi in Gestalt eines wirklichen Baumes, bleibt sie stehen und betrachtet es fasziniert. Hier werde immer besonders deutlich, wie sich die christlichen Grundlagen unserer Kultur durch verschiedene Bereiche wie Kunst und Musik hindurchziehen. Die vor uns bildlich dargestellte Abstammung fände sich jedes Jahr zu Weihnachten in dem populären Lied „Es ist ein Ros entsprungen“ musikalisch verewigt. Der Dom mache diese Querverbindungen besonders sichtbar.
Ein bedeutendes Kapitel Wormser Geschichte begegnet uns auf der gegenüberliegenden Seite des Kaiserdoms. Sandra Wilhelm zeigt mir ein Kirchenfenster, das die Historie der Stadt abbildet. Der Reichstag zu Worms im Jahr 1521 dürfe natürlich nicht fehlen, denn damals verweigerte Martin Luther, seine Thesen zu widerrufen. Die Abbildung des Reformators in einer katholischen Kirche sei weltweit einzigartig, betont die Gästeführerin. Und ‘einzigartig’ ist auch das Wort, was mir einfällt, um dieses wunderbare Bauwerk nach meinem Besuch zu beschreiben.
Eure Führung durch den Dom zu Worms
Wenn Ihr ebenfalls die 1000-jährige Geschichte des Wormser Doms mit einer sympathischen Gästeführerin wie Sandra Wilhelm kennenlernen wollt, habt Ihr die Wahl zwischen öffentlichen Führungen und buchbaren Gruppenführungen. Alle Informationen zu Zeiten, Treffpunkten und online Buchungsmöglichkeiten findet Ihr auf dieser Seite.