Der Duft von frischen Brötchen
Es ist 8 Uhr morgens und ich stehe in der Altstadt Bäckerei Finkenauer in Ober-Ingelheim. Es duftet herrlich nach frisch gebackenem Brot, Brötchen und süßen Teilchen. Schon der erste Blick auf die Auslage zeigt: hier wird noch echtes Bäcker-Handwerk betrieben. Riesige Brotlaibe liegen in den Regalen. Die Körbe darunter und in der Theke sind gefüllt mit noch warmen Brötchen und der Kuchen lässt mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Es ist ein Bäckerladen wie ich ihn noch aus meiner Kindheit kenne, mit freundlichem Personal, das die Kunden größtenteils persönlich kennt und wo der Plausch über der Ladentheke dazugehört.
Blick in die Backstube
Ich treffe Frank Finkenauer. Er hat die Bäckerei 2004 von seinem Vater übernommen, doch das Bäckerhandwerk liegt schon seit rund 160 Jahren in der Familie. 1861 in rheinland-pfälzischen Kriegsfeld gegründet, kam der kleine Bäckerladen an der Ecke 1971 nach Ingelheim. Seitdem wird hier gebacken, herkömmlich nach Rezepten und Techniken, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
Ich darf mich in der Backstube umschauen, lasse mir den Inhalt zahlreicher Schüsseln erklären und bin fasziniert von den Details, die der gelernte Bäcker und Konditor mir über das Backhandwerk erzählt. Konservierungsstoffe, Fertigmischungen oder gar fertige Teiglinge (keine Seltenheit in heutigen Bäckereien) kommen hier nicht in die Brötchentüte. Stattdessen mengt er jede Mehl- und Körnermischungen selbst, bereitet Teige vor, damit sie Zeit zum Reifen haben und backt sie schließlich frisch für den Verkauf. Es ist eine zeitaufwändige Methode, doch das Ergebnis ist es wert.
Frank Finkenauer reicht mir seinen Brotkalender. Ein DIN-A4-Blatt mit allen Brotsorten, die er im Angebot hat. Vom klassischen Roggen-Mischbrot bis hin zum Chia-Urgetreide Brot ist alles dabei. Er würde, wie er im Gespräch sagt, gerne viel mehr ausprobieren und Neues kreieren, aber dafür fehlt im Arbeitsbetrieb die Zeit. Erst kürzlich hat er alle Produkte auf Vollkornmehl umgestellt – ein kleines Wagnis, doch seine Kundschaft hat es gut angenommen.
Leidenschaft und Idealismus
Die Leidenschaft für seine Arbeit spüre ich. Mit Liebe und gerechtfertigtem Stolz erzählt er mir von seinen Broten und Spezialitäten, wie beispielsweise dem Knäckebrot-Sortiment und trotzdem liegt auch ein wenig Traurigkeit in seiner Stimme, wenn er über die heutigen Arbeitsbedingungen seiner Zunft nachdenkt. Immer niedrigere Preise, immer weniger Wertschätzung für gute Qualität und ein durch zahlreiche Zusatzstoffe einheitlicher Geschmack macht Manufakturen, die noch auf hochwertige Rohstoffe und Zutaten Wert legen, das Leben nicht leicht.
Mit einem leckeren Rotweinbrot unterm Arm und der großen Hoffnung, dass es noch lange solche Bäcker aus Leidenschaft gibt, trete ich aus der Ladentür.
Der Limonaden-Sommelier
Im Wormser Stadtteil Herrnsheim erwartet mich Paul Weißbach, Gründer der Limonaden-Manufaktur Laute Limo. Mit Sweat-Jacke und Baseball-Kappe steht er hinter der Theke seines Kiosks, einem kleinen Verkaufsladen in einem unscheinbaren Hinterhof. Noch bevor unser Gespräch richtig beginnt, habe ich ein Glas vor mir stehen und die Qual der Wahl zwischen fünf verschiedenen Geschmacksrichtungen erfrischender Limonaden: Cola, Cola-Orange, Orange, Zitrone und Grapefruit. Ich entscheide mich spontan für Grapefruit und es beginnt die erste Limonaden-Verkostung meines Lebens.
Limo im Weinglas
Während ich die Limonade auf der Zunge prickeln lasse, erzählt mir Paul Weißbach, wie die Idee zu seinem Limonaden-Projekt geboren wurde. „Eigentlich“, so beginnt Weißbach, der nebenberuflich bei dem DJ-Kollektiv Komma Laut arbeitet, „sollte es einfach ein Eventgetränk für Veranstaltungen werden, bei denen wir auflegen.“ Selbstbewusst dachte er, dass es schon nicht so schwierig sein könne, eine eigene Limonade herzustellen. Doch bald musste er feststellen, dass die erste Hürde allein schon darin bestand, einen Abfüllbetrieb zu finden. „Die üblichen Abfüllmengen liegen bei einer Million Liter. Da haben die meisten über unsere Idee gelacht“, sagt Weißbach rückblickend.
Als sich schließlich doch ein Abfüllbetrieb aus der Region bereit erklärte, konnte die eigentliche Arbeit endlich losgehen. Nun hieß es, die richtige Rezeptur zu finden. Mehr Frucht, weniger Zucker und die richtige Menge Kohlensäure – die Grundidee stand schnell fest, die Feinheiten entwickelten sich Schritt für Schritt.
Mein Glas Grapefruit-Limonade ist mittlerweile leer und ich freue mich auf Cola, eine der ersten drei Geschmacksrichtungen, die 2013 auf den Markt gingen. „Cola war ein Muss und gleichzeitig eine Herausforderung, denn jeder kennt den klassischen Geschmack von Cola“, berichtet mir der Sozialpädagoge und noch jetzt spüre ich die Begeisterung in seiner Stimme, wenn er über den Moment seiner ersten perfekten „Laute Limo Cola“ spricht. Es ist ein langwieriger Prozess, ein ständiges Probieren, Hinzutun und Wegnehmen von Zucker oder Kohlensäure bis der richtige Geschmack gefunden ist. Kostproben nimmt er immer im Weinglas, denn nur so entfaltet sich ihr richtiger Geschmack.
“oldschool” statt trendy
Paul Weißbach wollte mit seinen Limonaden kein Trendprodukt entwickeln, sondern ein klassisches Getränk – vielleicht sogar ein bisschen „oldschool“. Es geht ihm aber auch darum, den schlechten Ruf von Limonade zu verbessern. „Limonade kann mehr als man denkt und sie ist ehrlich“, sagt er, während ich „Laute Limo Zitrone“ probiere. „Jeder weiß doch, dass sie Zucker enthält und kann und sollte dementsprechend maßvoll damit umgehen“. Trotzdem sind seine Limos möglichst natürlich, mit wenig Zucker, keinen künstlichen Farbstoffen und rein natürlichen Aromen.
Der Vertrieb der kleinen Limonaden-Manufaktur läuft ganz allein über Paul Weißbach. Er beliefert selbst Cafés und Bars im Umkreis von 100 km und dabei ist er wählerisch, denn seine Limo „braucht ein gutes Zuhause“, wie er sagt. Ansonsten hat sein kleiner Kiosk jeden Samstag geöffnet. Bodenständig, gradlinig ohne viel Schnickschnack – das ist die Laute Limo. Vor allem ist sie aber eines: lecker!
Ein Leben für die Nudel
Nur ein paar Vororte weiter, in Worms-Horchheim, erwarten mich Elli und Theo Heyne in ihrem Hofladen. Seit 20 Jahren widmen sie ihr Leben der Nudel. „Börschingers Nudeln“ heißt die kleine Manufaktur, die 1988 von Elli Heynes Vater ins Leben gerufen wurde und nun in zweiter Generation weitergeführt wird.
Es war nicht die Leidenschaft für die Nudel, die die Gründung damals veranlasste, sondern ein Überschuss an Eiern in dem landwirtschaftlichen Familienbetrieb, der sinnvoll verbraucht werden musste. Pragmatismus statt Passion, bei Ehepaar Heyne sieht das heute anders aus. Schon beim Betreten des kleinen Ladens spüre ich das Herzblut, das in jedem einzelnen Produkt steckt. Zahlreiche Packungen verschiedener Nudelsorten stehen liebevoll drapiert in den Regalen, dazwischen Pestos und Chutneys – ebenfalls selbstgemacht.
Eine lange Trocknung ist das A und O
Elli Heyne ist für den Laden und den Vertrieb zuständig, ihr Mann Theo für die Produktion. Drei Tage in der Woche, manchmal bis spät in die Nacht, steht er an der Nudelmaschine, nimmt Nudel-Lage für Nudel-Lage entgegen und legt sie behutsam auf die für die Trocknung bereitstehenden Bleche. „30 Stunden schonende Trocknung ergibt eine äußerst schmackhafte und bissfeste Nudel“, erklärt mir der gelernte Schreiner, der vor 20 Jahren Holz gegen Teig getauscht hat und darüber sehr glücklich scheint. „Es war kein von langer Hand geplanter Einstieg in die „Nudel-Branche“, sondern eher eine Entscheidung aus der Situation heraus“, erzählt mir Theo Heyne, „aber ich hatte große Lust, aus Börschingers Nudeln etwas Besonderes zu machen“.
Nudeln für jeden Geschmack
Das ist ihm gelungen, denn bis zu 80 verschiedenen Nudelsorten – konventionelle ebenso wie BIO-zertifizierte – hat die Manufaktur mittlerweile im Sortiment. Dass er dabei auf beste Rohstoffqualität Wert legt, versteht sich von selbst. Stets frische Eier von einem Pfälzer Biolandhof und ein erstklassiger Hartweizengries sind die Basis der Börschinger Nudel, doch zu dieser Basis kommt noch etwas Wichtiges hinzu: Kreativität und Experimentierfreude.
Natürlich gibt es die klassisch gepressten Bandnudeln, Spirellis oder Spaghettis, aber es gibt auch eine Vielzahl ganz eigener Kreationen, wie Walznudeln mit Hanf, Spinat oder Walnuss und – nicht zu vergessen – frisch zubereitete Maultauschen. Und sogar für Veganer hat die Manufaktur Nudeln ohne Eier im Angebot.
Hier wird jeder Nudel-Wunsch erfüllt
„Bis vor einem Jahr habe ich noch selbst auf Wochenmärkten gestanden und dort 19 Jahre lang unsere Nudeln verkauft“, erinnert sich Theo Heyne nicht ohne Wehmut. Heute hat die Bedeutung von Wochenmärkten deutlich abgenommen, nur auf Bauernmärkten sind Heynes noch mit einem Verkaufsstand vertreten. Allerdings hat sich über die Jahre ein anderer Geschäftszweig entwickelt: speziell für Kunden hergestellte Nudeln im Lohn. Ob Winzer, die genau ihren Wein in die Nudel eingearbeitet haben wollen oder Firmen, die ein ganz besonderes Mitarbeiter-Geschenk suchen – bei Börschingers Nudeln wird nahezu jeder Nudel-Wunsch erfüllt.
Ich schaue mich noch einmal in dem kleinen Laden um und entdecke unter fast jeder Sorte ein eigens für diese Nudel passendes Rezept. Schon beim Lesen läuft mir das Wasser im Mund zusammen und ich sehe ein Lächeln über Elli Heynes Gesicht huschen – sie weiß, dass ihre Liebe zum Nudel-Detail bei den Kunden ankommt. Es ist also nicht verwunderlich, dass Börschingers Nudeln mittlerweile weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt sind. In die ganze Bundesrepublik verschickt der Familienbetrieb seine Produkte.
Als ich den Hofladen nach gut zwei Stunden mit drei Packungen Nudeln und jeder Menge neuem Wissen verlasse, weiß ich, was ich morgen koche.
Süße Verführung
Mein letzter Besuch führt mich nach Schwabenheim in Nina’s Pralinenmanufaktur. Der kleine Laden ist gut in einem Hinterhof versteckt, doch ein Schild mit köstlichen Pralinen am Hoftor weist mir den Weg.
Nina Klos heißt die Besitzerin, die seit 2011 hier süße Verführungen in Spitzenqualität herstellt. Pralinen, Trüffel und Tafelschokoladen – die gelernte Bäckerin und Konditorin hat schon früh ihre Liebe für diese kleinen Köstlichkeiten entdeckt. „Ich hatte das große Glück, in meiner Ausbildung zur Konditorin mit Schokolade arbeiten zu dürfen“, erzählt Nina Klos, während ich die leckere Auslage betrachte. „Reine Schokolade ist ein sehr hochwertiger Rohstoff und deshalb auch in Konditoreien kein tägliches Geschäft. Während meiner Arbeit habe ich mich gleich in dieses tolle Produkt verliebt.“
Nur beste Rohstoffe
Dass diese Leidenschaft bis heute anhält, merke ich sofort in unserem Gespräch. Fachmännisch und gleichzeitig liebevoll erklärt sie mir die Herstellung der einzelnen Pralinen und Trüffel. Ob geigelt, gerollt, mit Überzug oder glatt, jede der kleinen Süßigkeiten wird nach ihrer eigenen Rezeptur und in Handarbeit gefertigt und dekoriert. Die Tafelschokoladen von Hand gegossen und mit Nüssen, Beeren oder Gewürzen verfeinert.
Dass Nina Klos für ihre Produkte nur beste Rohstoffe – fairtrade und biozertifiziert – verwendet, versteht sich von selbst. „Mir ist die Herkunft meiner Rohstoffe sehr wichtig, denn ich möchte Verantwortung für die Umwelt übernehmen und gleichzeitig auch für bessere soziale Bedingungen in den Herkunftsländern der Kakaobohnen sorgen. Seit Beginn arbeite ich deshalb mit einem Betrieb in Peru zusammen.“
Nina’s Herzenssache
Auf Kunst-, Bauern- und Handwerksmärkten verkauft Nina Klos ihre Pralinen, Trüffel und Schokoladen und donnerstags von 14 bis 18 Uhr auch in ihrem kleinen Laden in Schwabenheim. 30 Sorten hat sie ständig im Angebot, dazu kommen edle Schokoladen in Tafelform oder auch aufwändig gegossen zu verschiedenen Figuren – oft ganz nach Kundenwunsch. „Ob für Geburtsfeiern, Firmenjubiläen oder andere Gelegenheiten, ich bekommen häufig Aufträge zur Gestaltung eigener Schokoladenkreationen“, erzählt mir die Meisterin der Chocolatierkunst. „Auch Winzer, die ihren eigenen Wein vorbeibringen und eine passende Praline davon kreiert bekommen möchten, zählen zu meinen Kunden“.
Es ist eine abwechslungsreiche und sehr kreative Arbeit, echte Handwerkskunst mit sehr viel Leidenschaft. Dass Schokolade ihr Herzensstück ist, steht nicht nur in ihrem Flyer, sondern mit dem Eintreten in Nina’s Pralinenmanufaktur spürbar. Bevor ich den kleinen Laden verlasse, stelle ich mir noch ein Tütchen mit meinen Lieblingspralinen zusammen und verlasse voller Vorfreude auf den süßen Genuss den kleinen Laden.
2 Antworten
Hallole,
neben Ihrem Besuch bei Börschinger’s Nudeln von Elli und Theo Heyne (kaufen wir gern ein) hätten Sie gleich um die Ecke in der Turnhallenstraße in Worms – Horchheim auch eine kleine und feine Schokolaterie besuchen können, und zwar die “Horchheimer Scheune” von Tanja Emler – Rupp. Aber Sie hatten ja schon eine kleine Schokolaterie in Schwabenheim in Ihrer Auswahl. Vielleicht denken Sie das nächste oder übernächste mal an diese vorzeigbare kleine Schokolaterie – Frau Emler-Rupp ist mit Herz und Seele dabei.
Der Fahrradclub ADFC Worms feiert hier z.B. jährlich seine Weihnachtsfeier für bis zu 30 Personen in einem atemberaubend schönen Ambiente.
Freundliche Grüße – Dieter Dohmeier, Alb.-Schweitzer-Str. 52, 67549 Worms-Leiselheim
Lieber Herr Dohmeier,
vielen Dank für Ihren Hinweis auf die “Horchheimer Scheune”. In der Tat habe ich sie bei meinem Besuch von Börschingers Nudeln auch entdeckt. Ich behalte sie sehr gerne im Hinterkopf, wenn ich mal wieder ein ähnliches Thema bearbeite.
Herzliche Grüße