Inspiriert von den herbstlichen Farben bei meiner Wanderung auf der Hiwweltour Stadecker-Warte möchte ich die bunten Erinnerungen in die trüben Wintertage retten.
Begleitet mich auf eine gemütliche Wandertour, die in der Weinbaugemeinde Stadecken-Elsheim, ca. 15 km südwestlich von Mainz direkt an der Selz, beginnt. Sie ist übrigens nicht nur im Altweibersommer ein empfehlenswerter Wandertipp, denn zu allen Jahreszeiten erwarten uns viele schöne Weitblicke ins Rheinhessische Hügelland.
Gemütliches Saubachtal
Vom Parkplatz an den Tennisplätzen in Stadecken-Elsheim führt der Zuweg vorbei an Pferdeweiden, durch das Naturschutzgebiet Woog- und Bruchwiesen.
An der Hauptstraße gabelt sich der Weg der gut ausgeschilderten Hiwweltour Stadecker Warte, ich entscheide mich die kurze Strecke durch das Wohngebiet zu nehmen und in der Ruhe des Saubachtals eine wunderschöne Herbsttour zu starten.
Nachdem ich die letzten Häuser hinter mir gelassen habe, führt der Weg direkt an einem kleinen Weiher vorbei. Wer eine erste Rast machen möchte, findet hier Bänke zum Verweilen vor. Weiter geht es entlang des renaturierten Saubachs auf Graswegen.
Die Herbstsonne lässt die bunten Blätter auf dem Boden und an den Sträuchern leuchten und das Wandern macht gleich doppelt so viel Spaß. Am Ende des Saubachtals ist in der Ferne schon der erste Hiwwel zu erkennen. Je höher mich der Weg führt, desto sensationeller wird der Weitblick. Immer wieder pausiere ich auf dem Anstieg und genieße die Aussicht und das Farbenspiel. Die Blätter der Weinreben färben sich langsam, noch hat der erste Frost sie nicht zu Boden fallen lassen. Felder, Wiesen und Weinberge gleichen einem bunten Flickenteppich und ergeben ein Muster in den schönsten Naturtönen. Ich möchte den Herbstduft einatmen und die warmen Farbspiele abspeichern für die trüben Wintertage.
Sensationelle Weitsicht am Weinpavillon

Die Hiwweltour Stadecker Warte besticht durch ihre vielseitigen und zahlreichen Rastplätze, jeder ist ein kleiner Höhepunkt auf dem Weg. Am Weinpavillon ist es Zeit für meine erste Rast.
Die Weitsicht ins Selztal auf einer der Wanderliegen genießen, den Gedanken nachhängen, die warme Herbstsonne auf der Haut spüren – hier ist der richtige Platz dafür. Der Weinpavillon ist ein willkommener Unterstand, sollte der Regen einen auf der Wanderung überraschen oder die Wanderung in der Sommerhitze nach einer Pause verlangen.
Die mitgebrachte Vesper schmeckt nach dem anstrengenden Aufstieg bei dieser Sicht besonders lecker. Zur Erinnerung gibt`s noch ein Foto im Bilderrahmen mit Panoramablick über die rheinhessischen Hiwwel.
Geologie und Aussicht bewundern
Nur wenige Gehminuten entfernt erreichen wir das „Bodenprofil Tonmergel“. An dem Rastplatz sind anschaulich die Gesteinsschichten zu erkennen und an einer Infotafel erklärt. Mehr zu den Bodenprofilen und zum Terroir könnt ihr hier nachlesen.
Am angrenzenden kleinen „Pilgerweinberg“ am Spitzberg erinnert ein Jakobsmuschel-Gedenkstein an Pilgerwanderungen nach Santigo de Compostella, die Stadecker Winzer und Ortsansässige bereits drei Mal gemeinsam gemacht haben.
Zu Besuch beim Namensgeber
Schon in Sichtweite entdecken wir den Namensgeber der Hiwweltour: die Stadecker Warte. Ursprünglich 1930 erbaut, diente sie den Winzern als zentraler Punkt um Pflanzenschutzmittel für die Weinberge anzurühren, später – wie ihr Name besagt – als höher gelegener Aussichtspunkt für den rheinhessischen „Wingertsschütz“. Seine Aufgabe war es, die gefräßigen Starenschwärme aus den Weinbergen mit einer Schreckschusspistole zu verscheuchen. Mittlerweile wurde er durch Schussapparate und Greifvogelstimmen abgelöst. Der Turm ist heute beliebte Rast für Weinbergsrundfahrten.
Etwas Sagenhaftes nebenbei
Ein treuer Begleiter auf meiner Wanderung ist eine blaublühende unscheinbare Pflanze am Wegesrand. Jeder hat sie bestimmt an Straßen- und Wegrändern schon gesehen. Ihr Name passt einfach gut zu meiner heutigen Route und ich will euch eine Geschichte erzählen, die sich um die blaue Schönheit rankt.
Eine Sage um die Wegwarte (Cichorium intybus) berichtet von einer verwunschenen Prinzessin, die am Wegesrand vergeblich mit ihren Kammerzofen auf den im Krieg vermissten Geliebten wartet. Die blauen Blüten der Wegwarte symbolisieren die blauen Augen der wartenden Prinzessin; sie strecken jeden Morgen ihre blauen Blütenblätter der Sonne entgegen und lassen des Abends ihre Köpfe hängen, da der Prinz nicht zurückgekehrt ist.
Aber zurück zum Qualitätsweg, der als Traumroute von „Wanderbares Deutschland“ ausgezeichnet wurde. Er besticht durch seine sensationellen Weitblicke in Verbindung mit der rheinhessischen Weinkultur, die dem Wanderer durch die anschauliche Gestaltung des Weges präsentiert wird. So geht es weiter über die hiwweligen An- und Abstiege in der Stadecker Gemarkung zum nächsten lehrreichen Bodenprofil Kalksandstein am Stadecker „Lenchen“. Eindrücklich zeigt sich die Bruchkante in der schon früh untergehenden Abendsonne.
Unweit entfernt befindet sich der Tisch des Weines, der ebenso zu einer Rast einlädt und fantastische Blicke über die Weinhügel gewährt.

Goldene Blätter leiten uns den Weg ins Tal

Auf einer abwechslungsreichen Tour darf ein Waldstück nicht fehlen. Gerade im Herbst ist die Farbenvielfalt sensationell, auch sprießen zu dieser Jahreszeit Pilze durch den lockeren Waldboden und laden zum Bestaunen ein.
Wieder im Tal angekommen geht es vorbei an einer Trinkrast, wenn die Flasche schon leergetrunken ist – hier ist für Nachschub gesorgt.
Eine weitere Sitzgruppe befindet sich am „alten Friedhof von Hedesheim“. Eine Infotafel erinnert an eine der ältesten Begräbnisstätten der Umgebung.
Ein kurzer Abstecher in die Zeit der Römer
Auf der Zielgeraden kurz nach rechts abbiegen lohnt sich auf jeden Fall.
Wo einst eine villa rustica stand, ist der „Römer-Infopunkt“ mit einem Rastplatz für Radler und Wanderer entstanden. Ein Fenster in die Vergangenheit, das uns über die Lebensgewohnheiten der damaligen Siedler berichtet und Geschichte lebendig werden lässt. Ein Kurzfilm nimmt mich auf eine Reise von der Römerzeit über das Mittelalter bis in die Gegenwart.
Am Radweg entlang führt der Weg wieder zurück zur Weggabelung am Einstiegspunkt der Hiwweltour; das letzte Stück Zuweg führt auf gleicher Strecke zum Parkplatz zurück. Ein gelungener Ausklang meiner Tour mit den unterschiedlichsten Herbstvibes, die ich gerne in die dunkle und kühle Jahreszeit retten möchte. Sicher werde ich meine Bilder gemütlich am Kamin durchschauen und die Sonne im Gesicht dieses wunderschönen Herbsttages spüren können.
Viel Spaß beim Farben- und Sonnenstrahlen sammeln!
Tipp:
Wer möchte, kann sich seine Brotzeit mit regionalen Spezialitäten im Voraus bestellen und abholen: Rent-a-Picknick.