Idyllische Selz
Die ersten Meter der Hiwweltour Westerberg führen Euch idyllisch an der Selz entlang, die leise neben dem Wanderweg plätschert. Der etwa drei Meter breite Bach entspringt in der Nähe des nordpfälzischen Dorfes Obris. Er fließt durch die Landkreise Alzey, Mainz und Bingen und mündet nach etwa 60 Kilometern in den Rhein.
Seit 1990 ist das Selztal ausgewiesenes Landschaftsschutzgebiet. Seitdem wurde die Selz umfangreich renaturiert, wodurch sich die Wasserqualität in den letzten Jahrzehnten stetig verbesserte. Der Bach ist Lebensraum für Fischarten wie Barsch, Hecht oder Stichling. Zudem tummeln sich viele Arten kleiner Wassertiere wie Frösche, Wasserspinnen, Schwimmkäfer und Libellen in und an der Selz. Wenn Ihr Eure Augen schließt und Eure Ohren spitzt, könnt Ihr sie hören.
Die Selz ist eines der Hauptgewässer in Rheinhessen und hat einen festen Platz im Herzen vieler Bewohner des Selztals. Damit das Gewässer immer in gepflegtem Zustand ist, schauen ehrenamtliche Bachpaten regelmäßig nach dem Rechten. Jeder Bachpate betreut einen festgelegten Abschnitt und meldet etwaige Probleme dem Selzverband, der dann alle notwendigen Schritte einleitet. Eine wunderbare Initiative!
Gewässer mit Geschichte
Die Selz spielt schon seit vielen Jahrhunderten eine wichtige Rolle im Leben der Menschen des Selztals. Wenn früher im Winter die Selz mit einer dicken Eisdecke überzogen war, begann die Eisernte. Eismacher schlugen mit Beilen und Äxten große Eisstücke frei, die dann auf Pferdeschubkarren nach Hause gefahren und in speziellen Eiskellern gelagert wurden. Dort wurde das Eis der Selz weiter zerkleinert und von örtlichen Metzgern oder Wirten zum Kühlen ihrer Waren verwendet.
An den Ufern der Selz wachsen verschiedene Weidenarten. Die knorrigen Gestalten der Kopfweiden ließen im Laufe der Geschichte so manchen Aberglauben aufkommen. Um sich das ganze Jahr vor Fieber und Halsweh zu schützen, sollte man drei Weidenkätzchen schlucken. Um das Haus vor einem Blitzeinschlag zu schützen, sollte man während eines Gewitters Weidenkätzchen auf dem Herd verbrennen. Die Weiden hatten aber auch praktische Nutzen für die Menschen. Aus den Zweigen der Bruchweide wurden Körbe geflochten. Außerdem nutzen Winzer die biegsamen Zweige, um ihre Reben an die Spaliere zu binden.
Zu Gast in einer alten Selzmühle
Die Selz führt heutzutage wenig Wasser. Früher war das anders, denn entlang des Bachlaufs standen überall Mühlen, die mithilfe des Selzwassers Korn oder Raps gemahlen haben. Inzwischen sind alle Mühlen stillgelegt, viele von Ihnen gibt es aber noch. So zum Beispiel die über 300 Jahre alte Eulenmühle in Großwinternheim. Sie liegt unmittelbar an der Hiwweltour Westerberg und ist inzwischen ein Landgasthof mit Gästezimmern und Pferdehof.
In der gemütlichen Gaststube oder auf der Terrasse könnt Ihr leckere Speisen der rheinhessischen Küche probieren, natürlich abgerundet mit ausgezeichneten Weinen der Region. Alte Mahlsteine zeugen auch heute noch von der Vergangenheit der Eulenmühle als Getreidemühle. Die perfekte Einkehr nach Eurer Wanderung auf der Hiwweltour!
Vogelkonzert im Naturschutzgebiet
Das Selztal zählt insgesamt 15 Naturschutzgebiete. Die Hiwweltour Westerberg führt Euch mitten durch das Naturschutzgebiet Gartenwiese bei Schwabenheim an der Selz. Rund 200 Vogelarten leben, brüten oder machen während des Vogelzugs im Selztal Station. In der „Gartenwiese“ leben Rohrweiher, Blaukehlchen, Wachtelkönige, Graugänse, Beutelmeisen, Schilfrohrsänger und viele weitere Vogelarten, die gemeinsam zu einem tollen Naturkonzert anstimmen. Auch hier empfiehlt es sich, einfach mal die Augen zu schließen und der Natur zu lauschen.
Seltene Hohlwege
Gegen Ende der Hiwweltour wandert Ihr mitten durch einen weiteren landschaftlichen Höhepunkt: die Ingelheimer Hohlwege. Sie sind tief in den Westerberg eingeschnittene Wege, die im Laufe der Jahrhunderte vor allem durch starke Regenfälle entstanden sind. Diese hatten im weichen und von landwirtschaftlichen Nutzgeräten gefurchten Lössboden ein leichtes Spiel.
Hohlwege sind in Deutschland sehr selten (geworden). Rheinhessen verfügt über ein vergleichsweise großes Hohlwegesystem mit teilweise bis zu zehn Meter tiefen Hohlwegen. Die Ingelheimer Hohlwege sind „nur“ bis zu vier Meter tief, aber damit auch schon richtig beeindruckend.
Ein Segen für die Natur
Die schroffen und nur schütter bewachsenen Lösswände sind ökologisch extrem wertvoll für diverse Tier- und Pflanzenarten. Die vielen kleinen Löcher in einer Hohlwegewand sind Nistquartiere für Wildbienen und andere Insekten. Für die bedrohten Bienen sind sie außerordentlich wichtig, da geeignete Nistplätze andernorts immer seltener werden. Die Ingelheimer Hohlwege beheimaten außerdem einen Dachsbau, dessen Eingang vom Wegesrand sichtbar ist. Es könnt allerdings schwierig werden, die Bewohner während Eurer Wanderung zu entdecken, denn Dachse sind nachtaktive Tiere. Ihr könnt aber dennoch auf Spurensuche gehen, denn sie haben Abdrücke im weichen Lössboden hinterlassen.
Hohlwege sind gefährdet und damit ist ihre artenreiche Lebensgemeinschaft ebenfalls bedroht. Viele Hohlwege wuchern zu. Die Waldrebe etwa wächst sich besonders gerne und schnell. Das mag verwunschen aussehen, für seltene und bedrohte Arten ist eine offene, nicht bewachsene, sonnenbeschienene Lösswand aber wertvoller als ein üppig begrünter Hohlweg.
Örtliche Naturschutzgruppen kümmern sich in Eigeninitiative um die Pflege der schützenswerten rheinhessischen Hohlwege. Es versteht sich sicher von selbst, dass man auch als Wanderer respektvoll mit diesem seltenen Stück Natur umgeht. Bleibt zu hoffen, dass so möglichst viele Hohlwege lange erhalten bleiben, damit die faszinierende Vielfalt der Lösswandbewohner nicht verschwindet.