1. Brauhaus Goldener Engel
Wir beginnen unsere architektonische Reise in der Binger Straße in Ingelheim – genauer im Brauhaus Goldener Engel. Das von Hille/Franken Architekten geplante Gebäude in V-Form wurde 2009 mit dem BDA-Architekturpreis ausgezeichnet. Wer jetzt denkt, Bier und Rheinhessen, das passe mal so gar nicht zusammen, der irrt. Denn die deutsche Brautradition hat bekanntermaßen in den Klöstern ihren Ursprung und davon finden sich im Mainzer Umland reichlich. Historisch gesehen, so berichtet das Stadthistorische Museum Mainz, sei die Region seit dem 15. Jahrhundert mitunter Bierhochburg gewesen. Auch heute produziert man in Rheinhessen circa ein Drittel der Braugerste des Landes Rheinland-Pfalz.
Wer beim Besuch im Brauhaus Goldener Engel den „sakralen“ Ursprung der Braukultur im Hinterkopf behält, der findet immer wieder Elemente aus der Kirchenarchitektur. Die zwei Gebäudeteile umschließen einen Innenhof, auf welchem sich heute die Terrasse befindet. Von außen erinnert die Anordnung der Fenster zum Innenhof an einen Säulengang oder einen Kreuzgang, im Innern schaffen die Fenster ein Licht-Schattenspiel, welches den Gast gedanklich in die Sakralarchitektur entführt.
Für mich ein gelungenes Beispiel dafür, wie man mit Architektur Geschichten erzählen kann. Nicht zuletzt kann man hier auch bei einem leckeren Bier und klassischen Brauhausspeisen von der Empore das Treiben in der unteren Ebene der Gaststube beobachten oder im Sommer richtige Biergartenatmosphäre genießen.
Öffnungszeiten Brauhaus:
Mittwoch bis Freitag von 16:00-24:00 Uhr
Samstag und Sonntag von 12:00-24:00 Uhr
2. Neue Synagoge Mainz
In der Reihe moderner Architekturbauten darf die neue Synagoge in Mainz natürlich nicht fehlen. Nach der Zerstörung der alten Hauptsynagoge hat es fast 72 Jahre gedauert, bis die jüdische Gemeinde der Stadt Mainz im Jahre 2010 wieder ein neues Zuhause bekam. Von außen wirkt der Bau vom Schweizer Architekturbüro Manuel Herz sehr extravagant und für manchen Betrachter auch unpassend im Zusammenspiel mit der Umgebungsbebauung. Der Architekt hat den Bau jedoch bewusst nicht an das alte Gebäude, welches im Stil des Pantheons in Rom erbaut war, angelehnt. Er wollte einen Kontrast schaffen, die Zukunft gestalten und der Geschichte der Zerstörung dennoch ihren Raum lassen. So befinden sich die Fragmente der ehemaligen Säulenhalle heute als Denkmal vor der Synagoge und erinnern an das dunkle Zeitalter der deutschen Geschichte. Die vorgehängte Fassade aus Keramikplatten in unterschiedlichen Grüntönen unterstreicht zudem die abstrakte Form des Neubaus und nimmt die Rillen der Säulen vom ehemaligen Bau auf. Wer hebräisch kann und das Gebäude aus der Ferne betrachtet, der kann in der Fassade das hebräische Wort „Kedushah“ lesen, was einem jüdischen Segensspruch entstammt und „Heiligung“ bedeutet.
Im Jahr 2011 bekam der Architekt für den unkonventionellen Bau, welcher heute mitunter auch eine Kindertagesstätte beheimatet, den deutschen Fassadenpreis. Wer die Synagoge nicht nur von außen sondern auch von innen betrachten möchte, kann sich für eine kostenfreie Führung anmelden.
Adresse
Neue Synagoge Mainz
Synagogenplatz 1
55118 Mainz
Führungen mit Voranmeldung:
Montags bis Donnerstags von 10:00 bis 16:30 Uhr (letzter Beginn)
Anmeldungen unter jgmainz.de
3. PANDION DOXX am Rhein
Nur einen Katzensprung von der Synagoge entfernt ist der alte Zollhafen von Mainz. Hier legten schon seit der Römerzeit Schiffe an und brachten Frachten aller Art in die Stadt am Rhein. Nach der Zerstörung des Hafens im zweiten Weltkrieg wurde der Mainzer Zollhafen schnell wieder zum Leben erweckt. Die umgeschlagene Menge an Gütern sprengte in kurzer Zeit die Leistungsfähigkeit eines innerstädtischen Hafenbetriebs, was schließlich dazu führte, dass der Containerterminal in die Ingelheimer Aue verlegt wurde. Seit 2003 entsteht im alten Zollhafen ein neues, modernes Stadtquartier direkt am Rhein. Ein Wohnkomplex sticht unter allen bisher erbauten Gebäuden besonders hervor: das Pandion Doxx.
Der besondere Wohnbau ist im wahrsten Sinne des Wortes das neue „Goldstück“ im alten Zollhafen in Mainz. In unmittelbarer Nähe zur Kunsthalle in Mainz, einem Museum für zeitgenössische Kunst, stellt das Gebäude auf seine Art ebenso ein Kunstwerk dar. Die mit goldglänzenden Metallschindeln bestückte Fassade umhüllt ein Gebäude mit besonderer Formsprache. Nämlich nur aus der Vogelperspektive ist das doppelte X des Wohnkomplexes zu sehen. Denn die Grundfläche im Erdgeschoss wurde von der schneider+schumacher in Zusammenarbeit mit bb22 aus Frankfurt weitestgehend unbebaut geplant. Dadurch rutscht der Wohnraum in die oberen Etagen und der sechsgeschossige Bau wirkt luftig und leicht. So bleibt die von drei Seiten mit Wasser umgebene „DOXX-Insel“ auch heute noch öffentlich erlebbar. Besonders im Innenhof wird die neue Ästhetik der durchfließenden Stadträume des Architekturprojekts deutlich. Das PANDION DOXX kann so zu einem neuen Zentrum für den alten Zollhafen werden und ist nicht nur durch seine besondere Fassadengestaltung von weither sichtbar.
4. Campusbrücke Mainz
Stadtauswärts findet man ein weiteres „Meisterstück“ von schneider+schumacher, dass in Zusammenarbeit mit dem Ingenieursbüro Schüßler-Plan entstand. Zwischen den Campus der Johannes Gutenberg-Universität und der Hochschule Mainz sollte eine bauliche Verbindung über die Koblenzer Straße geschaffen werden. Das Ergebnis war eine moderne Campusbrücke aus Sichtbeton und Stahl, welche heute den Studenten und Fußballfans einen schnellen Weg zwischen den Gebäuden ermöglicht. Der von Louis Sullivan geprägte Designleitspruch „form ever follows function“ (zu deutsch: Form folgt immer der Funktion) fand auch bei der Konzeption dieser Brücke Anwendung. Wenn bis zu 12000 Fans der Gastmannschaft von den Parkplätzen des Unicampus zum Stadion pilgern, muss sichergestellt werden, dass keine Flaschen oder Ähnliches auf die darunterliegende Fahrbahn gelangen. Das architektonische Problem des Überwurfschutzes wurde durch die besondere Form der Geländer gelöst. Während der Brückenüberbau weiter in die Breite wächst, scheint das Geländer nach innen zu fallen und verdeckt somit den Blick auf die darunter liegende Straße.
Dieses besondere „Eingangstor“ und Brückenbauwerk der Stadt Mainz wurde 2017 sogar mit dem „International Architecture Award“ ausgezeichnet und erhielt im Jahr darauf eine Anerkennung beim BDA-Architekturpreis des Landes Rheinland-Pfalz.
5. Weinberghaus Perka in Wörrstadt
Unser fünftes Objekt führt mitten in die Weinberge bei Wörrstadt. Das Weinberghaus von perka Architekten liegt in der Weinlage Schildberg auf der Gemarkung Sulzheim und ist am besten zu Fuß über den Premiumwanderweg Hiwweltour Neuborn zu erreichen. Auch auf die Shortlist zum BDA-Architekturpreis 2012 hat es das Weinberghaus aus ultrahochfestem Beton geschafft. Eigentlich ist es „nur“ ein Experimentalbau der TU Kaiserslautern zur Erforschung von Entwurfs- und Konstruktionsstrategien mit dem neuartigen Baustoff, dennoch nicht weniger interessant. Der Entwurf von Christoph Perka interpretiert den Bautypus Trullo, welcher in der Regel einen runden Grundriss und eine Kuppel vorweist, auf innovative Art neu und übersetzt ihn in eine zeitgerechte Form und Konstruktion. Er platziert ein halboffenes Haus aus dünnen Fertigbetonplatten inmitten der sanften Hügel. Die Grundform des Hauses stellt ein verzogenes Parallelogramm dar und öffnet oder verschließt je nach Standpunkt den Blick in die hügelige Weite. Besonders der schmale Querschnitt der Fertigbauteile lässt dabei den geschaffenen Raum flüchtig wirken.
Mehr Infos gibt es hier: Forschungsbau – ein Raum im Weinberg
Von der rheinhessischen Braukunst kommend enden wir auf unserer Suche nach außergewöhnlichen Architekturen in Rheinhessen inmitten von Weinreben. Wer nun noch nicht genug von den tollen Weinbergshäusern hat und noch mehr von der rheinhessischen Landschaft entdecken will, der sollte auf der Hiwweltour Neuborn weiterwandern und zum Beispiel den Burgunderturm besuchen. Apropos Türme – davon hat Rheinhessen auch einige zu bieten. Mehr darüber erfährst du im Blogbeitrag: 7 Besondere Türme in Rheinhessen.
2 Antworten
Vielleicht liegt es ja nur an den konkurrierenden Architekturen, dass für das Projekt „Perka“ so gar keine Euphorie aufkommen will. „Verzogen“ ist nicht nur die Beschreibung des Baus, verzogen ist das ganze „Ding“. Von „Bauästhetik“ keine Spur, dafür Beton brutal im Weinberg. Merkwürdige Vorstellung von Landschaftsgestaltung. Bauen kann man alles. Stimmt, wie man sieht.
Hallo Herr Bergmann,
Gestaltung und Geschmack liegt ja, wie man so schön sagt, im Auge des Betrachters. Den Einen gefällt so ein Sichtbetonbauwerk und loben dabei den Kontrast zur natürlichen Landschaft, da eine klare Trennung von Natur und Menschengeschaffenem vorliegt. Andere wiederum wünschen sich einen Bau, der sich in die Landschaft einfügt und kaum auffällt. Zumindest, wenn man vor dem Perka-Haus steht, kann die Landschaft je nach Blickwinkel mal mehr oder weniger flüchtig mit dem Bauwerk eine Einheit eingehen. Das macht vermutlich auch den Charme aus, weswegen der Bau diesen Anerkennungspreis gewonnen hat (und mitunter der Umgang mit dem zu seiner Zeit neuen Baustoff).