Neuigkeiten zum Schausteinbruch in der Nähe des Naturfreundehauses und zur neu gestalteten Infothek Flonheim.
Die Hiwweltour Aulheimer Tal bei Flonheim gehört zu meinen Lieblingstouren in Rheinhessen. Schon immer bietet die Wandertour ein besonderes Flair durch die Flonheimer Steinbrüche und die Möglichkeit, sich nach der Wanderung das historische Flonheim anzusehen. Seit dem vergangenen Jahr warten gleich zwei Neuigkeiten rund um die Hiwweltour Aulheimer Tal darauf, entdeckt zu werden:
- Im vergangenen Jahr wurde der SCHAUsteinbruch Schneider eröffnet. In ihm lässt sich die reiche Vergangenheit der Flonheimer Steinbrüche erleben.
- Die Infothek Flonheim erfuhr eine Neugestaltung und einen Umbau zur barrierefreien Infothek und zum Erleben von Meer, Stein und Wein sowie zur kulturellen Vergangenheit Flonheims.
Vor Ort treffe ich mich in zwei Terminen mit Fachkundigen und erfahre mehr über den «neuen» Steinbruch und die umgestaltete Infothek Flonheim.
SCHAUsteinbruch Schneider
Meine erste Wahl, um mehr über den Steinbruch zu erfahren, ist mein Kollege Jürgen Diehl, der nicht nur so wie ich Kultur- und Weinbotschafter Rheinhessen ist, sondern auch der Vorsitzende des Vereins „Vereinigung der Naturfreunde Flonheim und Umgebung e.V.“ Von ihm weiß ich schon länger, dass der Verein im Jahr 2016 einen in der Nähe des Naturfreundehauses gelegenen Steinbruch erworben hat. Der ehemalige Sandsteinbruch Schneider wurde seitdem als ein Projekt der Natur(schutz)freunde Flonheim zum SCHAUsteinbruch Flonheim entwickelt.
Ich treffe mich mit Jürgen beim Naturfreundehaus, das in der Nähe der ehemaligen Bahnstrecke Wiesbachtal und am Ende der Bahnhofstraße von Flonheim liegt. Die Hiwweltour führt direkt an dem Naturfreundehaus vorbei, und so folgen wir ihr nur knapp 100 Meter, um dann auf den Zuweg zum Steinbruch für weitere 200 Meter abzubiegen. Während wir uns dem Steinbruch nähern, erzählt Jürgen mir davon, dass bereits dieser Zuweg ein kleines Abenteuer war. Vieles war überwachsen, sodass der Weg freigemacht und zur Begradigung aufgeschüttet werden musste. Alte Holzpfosten am Wegesrand zeugen von den Grundstücksmarkierungen.
Bei den Arbeiten entdeckten die Naturfreunde Flonheim alte Trockenmauern, die sie freilegten und zur Gestaltung des Platzes auf der einen Seite erweiterten. Dann sind wir auch schon vor dem Steinbruch. Eigentlich, so denke ich, versperrt der Holzzaun den Zugang. Doch Jürgen erzählt mir, dass er als Schutz für die Besucher dient. Später zeigt er mir eine Stelle, wo ein Steinstück heruntergefallen ist.
Bereits in römischer Zeit wurde auf der Flonheimer Gemarkung ein Steinbruch betrieben. In der Neuzeit entwickelte sich ein lebhaftes Geschäft mit dem Flonheimer Sandstein. Nicht nur für große Gebäude in Flonheim oder die Flonheimer Kirche wurde der helle Sandstein gebrochen, sondern auch für Bauten wie den Mainzer Hauptbahnhof oder den Kölner Dom. In der Umgebung von Flonheim entstanden 16 Sandsteinbrüche. Zunächst erfolgte der Abtransport über die alte Römerstraße Worms-Alzey-Bingen. Im 19. Jahrhundert entstand die Wiesbachtalbahn zum Abtransports des Sandsteins.
Auf einer Schautafel zeigt mir Jürgen das Foto eines Steinbruches von 1904, auf dem die Arbeiter für die Aufnahme aufgestellt wurden. Auf ihm ist auch eine Lore zu erkennen, wie sie hier im Schausteinbruch steht. Wobei die heutigen Loren im Steinbruch zwar Originale sind, aber nicht aus diesem Steinbruch.
Erstaunt erfahre ich, dass die Landschaft von Namibia als Beispiel für die Entwicklung des Flonheimer Sandsteins vor ca. 290 Millionen Jahren dient. Ablagerungen eines verzweigten Flusssystems führten in mehreren Schichten zur Bildung des Sandsteins, der später so begehrt war.
Während ich mich frage, wieso das alles so lange bis zur Eröffnung dauerte, berichtet mir Jürgen davon, dass beispielsweise viele Kubikmeter Erde abgeräumt werden mussten. Eine Erdschräge verdeckte die Steinwand. Auch musste die Steinwand noch gereinigt werden, damit sie heute so «sauber» und «glatt» aussieht. Dabei half dann die Feuerwehr mit einer starken Spritze.
An der Steinwand sind noch Bearbeitungsspuren zu sehen. Zunächst wurden mühsam kleine Spalten hineingemeißelt, danach schlug man einen Keil immer weiter hinein, bis der Stein auseinanderbrach. Die großen Brocken wurden mit Loren beiseitegeschafft, und Steine wurden in einem Unterstand bearbeitet. Um die Steinbrocken zu heben, nutzte man Dreibeinflaschenzüge. An der Spitze von drei Balken war der Flaschenzug befestigt, womit man den Stein von der Lore heben konnte. Jürgen erzählt, wie sie vergeblich nach einem Originalflaschenzug suchten. Schließlich bauten sie das Dreibein nach und wurden für einen alten Flaschenzug auf Ebay fündig.
Nach und nach sollen weitere Stücke den Steinbruch erweitern. So ist geplant, Werkzeuge fürs Steinhauen und -bearbeiten in dem Unterstand auszustellen. Nach einem kleinen Spaziergang zurück zum Naturfreundehaus verabschieden wir uns.
Infothek von Flonheim
Der Abschied hält nicht für lange. Für die Besichtigung der Infothek vermittelt Jürgen mir den Kontakt mit Ulrich Höhn, als Planer Spezialist für Museums-und Ausstellungsgestaltung. Er hat die neue Infothek geplant, war aber auch schon für die «Vorversion» vor über 10 Jahren dabei. In der Woche nach meinem Steinbruchbesuch treffe ich mich mit Ulrich Höhn in der Infothek am historischen Marktplatz. Ich freue mich, dass Jürgen Diehl auch diesmal dabei ist.
Die Infothek ist eine Kombination aus Touristinformation und Ortsmuseum im Gebäude des Rathauses. Bis zum Umbau war die Infothek nur im Dachgeschoss untergebracht, und im Erdgeschoss war früher eine Bank. Für den neuen Hauptbereich der Infothek im Erdgeschoss mussten Mauern entfernt werden und ein Konzept für die Zugänglichkeit der gesamten Infothek ermittelt werden. Die barrierefreie Erweiterung der Infothek Flonheim wurde als Teil der Reaktion auf die COVID-19-Pandemie von der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert.
Auch wenn der Haupteingang nur über eine Treppe erreichbar scheint, so ist die Infothek barrierefrei über den offenen Hinterhof auf der linken Seite des Grundstücks zu erreichen. Höhn erläutert mir das Zugangskonzept. Das Foyer ist auch außerhalb der Öffnungszeiten zugänglich, dort gibt es Infomaterial sowie ein Terminal mit Informationen zu Übernachtungs- und Gastronomiemöglichkeiten, Rad- und Wanderwegen sowie Kultur und Veranstaltungen. Optisch dominiert wird das Foyer durch ein beleuchtetes Foto des Flonheimer Trullos. Sein ungewöhnliches Aussehen verdankt er der Kragbauweise, die auf Holz verzichtet und das Dach mit schräg ohne Mörtel aufeinander platzierten Steinen bildet. Er und weitere Trulli (Mehrzahl von Trullo) aus den Jahren 1720 und 1760 sehen aus wie die Häuschen in Apulien. So ist eine wahrscheinliche Erklärung, apulische Gastarbeiter hätten den Baustil in diese Region Rheinhessens gebracht.
Der Ausstellungsbereich mit dem Schalter für Auskunftsmitarbeiter ist mit einer Glastür abgetrennt, sie wird während der Öffnungszeiten geöffnet. Der offen gestaltete Raum führt in die Themenwelten Meer, Stein und Wein von Flonheim ein. Die offene Gestaltung wurde bewusst gewählt, auch um hier Veranstaltungen abhalten zu können und dafür das große Display als Präsentationsfläche zu nutzen, so Höhn. Die Ausstellung wird für den Besucher erlebbar mit dem großen Touchscreen-Display und einer steuerbaren Präsentation.
Lange, bevor in den Steinbrüchen Stein abgebaut wurde, lag das rheinhessische Hügelland unter Meereswasser im «Mainzer Becken». Das Modell der Seekuh «Floni» zeugt von der subtropischen Vergangenheit von vor etwa 30 Millionen Jahren. Im Original handelt es sich um ein Seekuhskelett, das in Flonheim-Uffhofen gefunden wurde. Das Originalskelett ist im Senckenberg-Museum in Frankfurt am Main ausgestellt. So wie vom Flonheimer Trullo, wurden auch von der Flonheimer Kirche mit einer Flugdrohne Aufnahmen gemacht, sodass hier jetzt Modelle zum Anfassen stehen. Weitere Exponate wie «Geruchsflaschen» und beleuchten die jüngere Vergangenheit Flonheims beispielsweise als Weindorf.
Wir verlassen das Erdgeschoss durch das Foyer und dann durch den hinteren Ausgang zum Innenhof. Hier wurde für die Besucher eine alte Steinhütte im Innenhof restauriert und darin der Flonheimer Sandstein und seine Geschichte dargestellt. Hier treffe ich wieder auf das Foto von der Schautafel im Steinbruch, aber auch auf Steinproben verschiedenen Alters, Werkzeuge und weitere Fotos. Der letzte Sandstein wurde vor ein paar Jahrzehnten in Flonheim abgebaut. Doch es gelang von einem Nachfolgebetrieb in Hessen, originalen Flonheimer Sandstein zu «retten» und beispielsweise für einzelne Elemente zu verwenden.
Schließlich fährt uns Höhn mit dem Aufzug vom Erdgeschoss in das Dachgeschoss zum zweiten Teil der Infothek. Dort scheint nahezu eine komplette Wand aus Sandstein zu bestehen. Sie entstand als Abguss einer originalen Steinbruchwand. Somit lässt sich ein wenig «Sandsteinwand» erleben, falls man sich den Abstecher zum Schausteinbruch ersparte. Muscheln, Korallen, Austern und Haifischzähne zeigen eindrucksvoll die Vielfalt des damaligen Meeres.
Faszinierende Ausstellungsstücke versetzen mich in eine Zeit vor den Menschen aber auch in die neuere Geschichte in und rund um Flonheim. Funde aus Gräbern fränkischer Zeit, wie aus einem Fürstengrab des 7. Jahrhundert mit Waffengarnitur, belegen, dass der Ort auch in dieser Zeit besiedelt war. Kopien der Grabbeigaben sind in einer Bodenvitrine zu sehen. Für viele der empfindlichen Originale gibt es Nachbildungen, so auch für ins Wasser gespülte Zeugnisse der subtropischen Zeit.
Zurück im Erdgeschoss mache ich noch ein Foto von Ulrich Höhn und Jürgen Diehl vor dem Trullo, bevor wir uns verabschieden. Just, als ich die Treppe heruntergegangen bin und zum Auto gehen möchte, blicke ich zurück zur Treppe und entdecke eine Steintafel an der Wand: „Ehem. Gasth. Zum Ross erb. 1712“.
In dem 1712 erbauten Gebäude befand sich einmal das Gasthaus Zum Ross, und ich muss an eine Erzählung über das reiche Flonheim mit den vielen Steinbrüchen denken. Früher habe es in Flonheim über 30 Gasthäuser gegeben, um die vielen Arbeiter zu ernähren. Noch heute hängen ähnliche Tafeln an einigen Häusern rund um den historischen Marktplatz. Ich nehme mir vor, für eine Ortsführung nach Flonheim zurückzukehren.
Öffnungszeiten der Infothek Mai bis Oktober:
- Freitags von 09.30 – 12.30 und 13.30 – 17.00 Uhr
- Samstags und sonntags von 09.30 – 17.00 Uhr
Hiwweltour Aulheimer Tal
Die Hiwweltour Aulheimer Tal ist 13,3 Kilometer lang und führt durch Weinberge, Wiesen, das Wiesbachtal und das Aulheimer Tal, aber auch durch Waldabschnitte. Den Wanderer belohnt sie insbesondere mit dem Flonheimer Trullo und zahlreichen Panoramablicken. Mehr dazu berichte ich in meinem Blogbeitrag „Ein Wandertag in Flonheim und auf der Hiwweltour Aulheimer Tal“.
Die Streckenführung mit weiteren Informationen gibt es auf Rheinhessen.de: Hiwweltour Aulheimer Tal.
2 Antworten
Sehr interessant! Sollte zum Ausflugsprogramm von LandFrauen Mainz-Bingen gehören!!!
Liebe Ursula Schnell, das ist eine gute Idee. Das Team der Rheinhessen-Touristik hat es genauso gemacht, mit Führung durch den Steinbruch und die Infothek. Sehr empfehlenswert.