Wein im Supermarkt kaufen? Ich muss gestehen, bisher habe ich das nur im Urlaub im Ausland gemacht. In meinem privaten Keller liegen meist Weine, die ich bei Winzern direkt gekauft habe oder von Freunden geschenkt bekam. Und zwar in mehr als ausreichender Menge. Es gab also einfach bisher keine Notwendigkeit, beim Einkauf auch noch einen Wein mit einzupacken.
Andererseits bin ich aber neugierig und schlendere also hin und wieder durch die Regalreihen der Weinabteilung im Supermarkt. Denn erstens interessiert mich, wie viel Mühe sich so ein Markt mit der Weinauswahl gibt und außerdem, welche Weine man dort findet. Und klar, besonders interessieren mich als Rheinhessin natürlich die Weine meiner Heimatregion.
Immerhin 66 Prozent aller Weine in Deutschland werden in Supermärkten und Discountern gekauft. Nicht alle Weinliebhaber haben nun mal das Glück, mitten in einer Weinbauregion zu leben und den Winzer quasi direkt vor der Haustür zu haben. Außerdem ist die Auswahl in einem Supermarkt riesig. Weine aus aller Herren Länder stehen im Regal. Übrigens: Auch wenn die Winzer aus der Pfalz ein wenig aufgeholt haben: Die meisten deutschen Weine im Supermarkt kommen aus Rheinhessen! Bei meinen Streifzügen durch die Weinregale gab es also jede Menge spannender Weine zu finden.
Es liegt auf der Hand, dass ein Supermarkt ziemlich viele Flaschen eines Weines ordert, immerhin wollen die Weinkäufer in Hamburg den guten Tropfen ebenso kaufen können wie die in München oder in Leipzig. Daher kommen naturgemäß viele Weine im Supermarkt von großen Kellereien. Viele dieser Kellereien haben inzwischen ganz verschiedene und oft auch sehr anspruchsvolle und hochwertige Linien, die speziell für Supermärkte & Co. entwickelt und hergestellt werden. Da lohnt es sich auf jeden Fall, genauer hinzuschauen.
ROTWILD – Rheinhessischer Genuss vom Branchen-Primus
Nicht erst seit Peter Mertes im Jahr 2020 die Welter-Kellerei im rheinhessischen Engelstadt übernommen hat, spielt Rheinhessen eine Hauptrolle im Sortiment der größten deutschen Weinkellerei. Der 1924 vom Winzer Peter Mertes in Minheim an der Mosel gegründete Betrieb widmete sich schon seit den 1950er Jahren den Weinen aus Rheinhessen. Besonders die Weine der Marke Rotwild stammen aus Rheinhessen – und sie sind sehr erfolgreich. Ob Riesling, Silvaner oder Weißburgunder, man findet eine ziemlich umfangreiche Auswahl an Weinen in den markanten Flaschen, auf denen ein imposanter Hirschkopf prangt. Die Besonderheit ist allerdings der Dornfelder. Im größten Barriquekeller Deutschlands, dem namengebenden Rotwild-Keller in Bernkastel-Kues, lagert ausschließlich Dornfelder für die Rotwild-Weine. Es gibt ihn für alle möglichen Geschmacksvorlieben, trocken, halbtrocken oder lieblich, als Rotwein oder als Rosé. Besonders spannend fand ich den Rotwild Schoko, ein Rotwein mit Schokoladengeschmack. Gibt es auch in der Weißwein-Version mit Vanille.
Die Kellerei hat übrigens noch einen Superlativ aufzubieten: Nach eigenen Angaben ist sie der größte Bioweinlieferant in Deutschland. Nicht nur viele Zulieferer produzieren nach Bio-Richtlinien Wein, auch die eigenen Weinbergsflächen werden in Teilen biologisch bewirtschaftet. Außerdem bemühen sie sich um ressourcenschonendes Arbeiten: Auf dem Dach der Weinkellerei gibt es zum Beispiel Photovoltaikanlagen mit einer Fläche von 25.000 Quadratmetern und es gibt Zisternen in den Böden der Tankkeller. Das Wasser wird für natürliche Kühlung verwendet.
HORIZN29 – Nachhaltig rheinhessisch
Apropos nachhaltig: Ein besonderes Projekt hat die Kellerei Andreas Oster initiiert. Die hat ihren Sitz ebenfalls an der Mosel, engagiert sich aber auch stark in Rheinhessen. HORIZN29 nennt sich die neue Weinlinie und auf der Homepage heißt es: „Rheinhessen ist heute eine der spannendsten Weingegenden Deutschlands …“. Da wollen wir mal nicht widersprechen. Die 29 steht für 29 nachhaltige Grundsätze, nach denen die Weine produziert werden. Die kann man auch auf der Homepage nachlesen. „Mit natürlichen Ressourcen gehen wir nachhaltig um“, steht da zum Beispiel. Oder: „Nachhaltigkeit heißt Qualität – deshalb werden alle unsere Weine strengen sensorischen Tests und Qualitätsprüfungen unterzogen.“ Und unter der Überschrift „Wertschätzende Arbeitgeber“: „Alle werden gleich behandelt, niemand wird aufgrund von Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Herkunft diskriminiert. Das gilt auch für die Entlohnung.“ Alle Weine der Linie kommen aus Rheinhessen und werden von rheinhessischen Familienweingütern produziert. Die müssen natürlich zu den selbst gestellten Ansprüchen der Nachhaltigkeit passen. Und die Herkunft Rheinhessen steht dabei im Fokus. Neben den klassischen Sorten von Riesling bis Sauvignon blanc gibt es – ganz besonders nachhaltig – auch einen Cabernet blanc, also einen PIWI-Wein – ein Wein aus einer pilzwiderstandsfähigen Rebsorte.
Noch mehr Rheinhessen-Fans
Nicht nur Kellereien von Mosel lieben Rheinhessen auch eine der bekanntesten Riesling-Adressen Deutschlands, das Weinhaus Robert Weil in Kiedrich, hat inzwischen seine Fühler über den Rhein ausgestreckt und mit der Linie Robert Weil Junior eine beachtliche Reihe rheinhessischer Burgunder auf den Markt gebracht. Anfangs noch exklusiv für EDEKA, inzwischen gibt es sie aber auch anderswo zu kaufen. Zusammen mit der Trautwein Weinkellerei im rheinhessischen Lonsheim wurde gleich eine ganze Linie mit Weinen aus Burgundersorten entwickelt: dreimal weiß, einmal rosé, einmal rot. Während Weiß- und Grauburgunder ganz ohne Holzeinsatz ausgebaut werden, wird es beim Chardonnay ein wenig tiefgründiger: mit dezentem Holz bekommt er etwas Cremiges. Auch der Spätburgunder ist im Holz ausgebaut.
Die Weine mit dem markanten Schriftzug fallen im Weinregal zwischen all den anderen Flaschen auf. „Im Supermarkt ist das Weinetikett wahrscheinlich das wichtigste Verkaufsargument. Schließlich muss man vom Äußeren auf das Innere schließen“, erklärt Dominique Pavlitschek, alias Fräulein Wein. Die Weinfachfrau muss es wissen, schließlich hat sie für die REWE-Gruppe den online-Weinhandel weinfreunde.de mit aufgebaut und kennt sich in Sachen Supermarktweine bestens aus.
50 shades of …
… grey? Das schlicht-graue Etikett mit dem auffälligen Schriftzug ist auf jeden Fall ein Hingucker. Dahinter verbirgt sich ein Grauburgunder, den man in den Weinregalen bei EDEKA und Netto findet. Das hat seinen besonderen Grund. Der grey kommt aus Bingen, genauer gesagt aus der Rheinberg-Kellerei und die gehört schon seit 1967 zur EDEKA-Zentrale und vermarktet ihre Weine ausschließlich über die entsprechenden Märkte. Damit ist der EDEKA-Verbund übrigens der einzige Lebensmittelhändler in Deutschland mit einer eigenen Kellerei. Das bedeutet aber nicht, dass man sich in den Kellern der Rheinberg-Kellerei entspannt zurücklehnen kann, weil man die Weine sowieso an EDEKA verkaufen wird. Weit gefehlt, in jedem Jahr müssen sich die Weine ganz offiziell an den Ausschreibungen des EDEKA-Verbundes beteiligen. Deshalb steht -bei aller Quantität- die Qualität im Fokus.
Der grey ist auf jeden Fall ein Wein, den man gut und gerne als everybody’s darling bezeichnen kann: fruchtig, saftig, ohne Chichi, einfach lecker. Finden zum Beispiel auch diverse Weinzeitschriften, die ihn empfehlen. Aber Achtung, den Namen grey haben noch andere Weingüter für ihren Grauburgunder entdeckt, also genau hinschauen beim Kauf!
Es müllert
Rheinhessen ohne Müller-Thurgau? Unvorstellbar! Immerhin sind fast 15 Prozent der rheinhessischen Weinberge mit der Sorte bepflanzt. Die Rotkäppchen-Kellerei bringt also mit ihrem halbtrockenen Müller-Thurgau einen echten Klassiker in die Weinregale der Supermärkte. Dabei hat Rotkäppchen seinen Ursprung gar nicht in Rheinhessen, sondern in Sachsen-Anhalt. Genauer gesagt im Anbaugebiet Saale-Unstrut und raten Sie mal, wieviel Müller-Thurgau dort angebaut wird. Genau, 15 Prozent. Der Rivaner, wie er auch heißt, belegt damit den ersten Platz im sächsischen Rebsortenspiegel. Müller-Thurgau können sie also bei Rotkäppchen. Der Firmensitz ist nach wie vor in Freyburg; vinifiziert und gefüllt -bis auf Portionsflaschen und die alkoholfreien Produkte- werden die Rotkäppchen-Weine aber in Rheinhessen. Außer Müller-Thurgau gibt es noch jede Menge anderer Rebsortenweine aus Rheinhessen unter dem gleichen Label: einen trockenen Spätburgunder, einen Grauburgunder, einen halbtrockenen Dornfelder. Die ganze Palette rheinhessischer Weinvielfalt.
Und wie entscheide ich mich nun für einen Wein im Supermarkt? Dominique Pavlitschek weiß da Rat: „Erst mal Budget festlegen und die Region.“ Was für eine Frage, Rheinhessen natürlich. „Jetzt noch die Rebsorte, dann ist man so gut wie auf der sicheren Seite.“ Na dann – viel Spaß beim nächsten Einkauf im Supermarkt.
Infobox:
Einen guten Einblick in die Hintergründe der Rheinhessenweine im Supermarkt gibt euch unser Video.
Mehr Informationen gibt es auch auf unserer Website.