Rheinhessische Genussmanufakturen: Vorsicht, Geheimtipps!

Inhaltsverzeichnis

Rheinhessen und der Wein sind natürlich unzertrennlich miteinander verbunden. Für den neuen Rheinhessen-Blog habe ich nach Genuss-Manufakturen abseits von Winzern und Weingütern gesucht und bin auf drei echte Geheimtipps gestoßen. Wie die Herstellung von Honig, Sirup und Geschirr trotzdem vom Wein inspiriert werden können, erfahrt Ihr hier.

Woi Honey, Ingelheim (Martina & Sandra Woidich)

Beim Thema rheinhessische Manufakturen und Spezialitäten musste ich sofort an meine Studienfreundin Martina und ihre Frau Sandra denken. Die beiden stellen, neben der Arbeit im Weingut von Martinas Familie, seit 2018 eigenen Honig unter der Marke „Woi Honey“ her. Also: Gedacht, gesagt, getan und ein paar Textnachrichten später stehe ich im Hof des Ingelheimer Weinguts. Hier sind die Lesevorbereitungen in vollem Gange und die beiden laden mich gleich in den Bienengarten hinters Haus ein. Dort nutzen die fleißigen Arbeiterinnen die letzten Sonnenstrahlen des Sommers, zu Hunderten fliegen sie um die sechs sogenannten Holzbeuten, die jeweils ein Volk beherbergen herum. Alles wirkt lebendig und geschäftig über der Blühwiese. „Näher dürften wir jetzt aber auch nicht rangehen – die Bienen verteidigen ihr Revier, gerade wenn es weniger Nahrung gibt!“, warnt Martina. Auf der Suche nach Nahrung fliegen die Bienen bis zu zwei Kilometer weit, wenn der Hunger stärker wird sogar noch weiter. Bei 50.000 Bienen pro Volk kommt da einiges an Wegstrecke zusammen – und auch einiges an Honig! Sandra erklärt, dass ein Volk zwischen 20 und 30kg Honig pro Jahr produziert, je nach Jahrgang.

Stück für Stück gehen wir viele Aspekte der Bienenhaltung und der Honigherstellung durch, ich bin beeindruckt vom Fachwissen der Hobby-Imkerinnen. Doch zwischen diesen vielen Fakten möchte ich auch wissen, wie Martina und Sandra überhaupt zu ihren Bienen gekommen sind. „Das war 2018“, erinnert sich Martina, „in der Zeit hatten wir viele verrückte Ideen“. Begonnen hat diese Zeit der Veränderung für das Paar damit, ihre Jobs in der Chemiewirtschaft hinter sich zu lassen und ins Weingut von Martinas Familie einzusteigen. Mit der Selbstständigkeit veränderte sich das ganze Leben – ein neues Hobby zum Ausgleich musste her! Schnell fanden sie heraus, dass Ingelheim einen Imkerverein hat, der auch Kurse anbietet. Die Plätze waren allerdings sehr beliebt, erzählt Sandra: „Martina hat nach einem Jahr auf der Warteliste einen Platz bekommen, ich im nächsten Jahr.“ Das Warten hat sich gelohnt, die beiden sind sehr zufrieden mit der Unterstützung des Vereins. Und trotz des Aufwands kommt auch der ausgleichende Effekt des Hobbys nicht zu kurz. Sandra erzählt: „Die Bienen spüren, wenn man hektisch ist und spiegeln diese Stimmung dann wieder. Man muss also herunterfahren, wenn man mit den Tieren arbeiten will“. Und Arbeit gibt es genug, denn: der Natur ihren Lauf lassen funktioniert bei den Honigbienen, nicht zu verwechseln mit Wildbienen, nur sehr bedingt. Es muss zugefüttert werden, Milben müssen vertrieben und verstoßenen Königinnen muss ein neues Zuhause gegeben werden. Dafür haben die Ingelheimerinnen eine ganze Garage voller Utensilien. „Da fängt man so unbedarft an und kommt vom hundertsten ins tausendste. Das sagt einem natürlich niemand vorher“, lacht Martina, als sie das Garagentor öffnet. Bei den sechs Völkern, um die sie sich aktuell kümmern soll es vorerst bleiben.

Die rund 300.000 Bienen liefern den Rohstoff für zwei Ernten im Jahr: Die Frühjahrs- und die Sommertracht, die ich nun beide probieren darf. Die Frühjahrstracht kommt vor allem von den Rapsblüten, die zu dieser Zeit rund ums Weingut wachsen. Sie ist daher sehr hell und wurde cremig gerührt, schmeckt sehr süß und unkompliziert. Etwas anders sieht es bei der Sommertracht aus: Ein großer Teil hiervon ist Waldhonig, außerdem ist die Sommertracht flüssig und durchsichtig-bernsteinfarben. Der Geschmack ist komplexer und herber, man schmeckt die würzigen Waldaromen gleich heraus. Neben den beiden Honigen bieten Sandra und Martina Lippenbalsam aus dem eignen Bienenwachs an, haben selbst Wachstücher für den Haushalt hergestellt und es gibt natürlich auch einen Honigwein.

Auch wenn ihnen zu Anfang vor allem der Beitrag zum Umweltschutz durch das Halten der Bienen wichtig war, sind die Hobby-Imkerinnen heute doch sehr stolz auf die eigenen Produkte und die Arbeit, die dahintersteckt. Alle Produkte können online unter https://woihoney.jimdosite.com/ bestellt und vor Ort abgeholt werden.

Die Ankelei, Mainz-Ebersheim (Anke Eckhardt)

Der nächste Stopp meiner Manufakturen-Reise führt mich nach Mainz-Ebersheim zu Anke Eckhardt und ihrer „Ankelei“. Wir nehmen auf der kleinen Terrasse mit Blick auf den Kräutergarten Platz und werden auch gleich vom großen, schwarzen Hauskater begrüßt – „Der Dicke“, so stellt Anke ihn mir vor. Sie selbst ist eigentlich pädagogische Fachkraft an einer Grundschule, Ausgleich hierzu schafft sie an anderer Stelle: Sie hilft regelmäßig im Weingut eines befreundeten Winzers aus und stellt unter der Marke „Die Ankelei“ Sirupe und Gewürzsalze her.

„Wein auszuschenken ist so herrlich unpädagogisch. Du hast Geld, ich hab Wein, lass uns doch tauschen. Und wenn man dann noch nett ins Gespräch kommt und die Gäste erfolgreich beraten kann, ist mein Tag auf jeden Fall gerettet“, schwärmt sie. Die Arbeit im Weingut und der Aufbau der Ankelei sind eng miteinander verknüpft: Aus den Blüten des großen Holunderbusches im Weingut stellte Anke einen ihrer ersten Sirupe her. Mit den vor der Biotonne geretteten Lavendelblüten stand sie dann vor ihrer ersten Herausforderung: Was tun mit so viel Lavendel? Auch hier hat sie sich an einem Sirup versucht – erfolgreich. Die selbstgemachte Lavendel-Limonade steht auf dem Tisch, ich darf probieren. Frisch, fruchtig und ein bisschen kräutrig-herb – besser lassen sich die letzten Sonnenstrahlen nicht genießen.

Während der Corona-Pandemie galt es vor allem viel Zeit zu füllen, die Sirup-Produktion weitete sich fast wie von selbst aus und wurde um die Herstellung von Kräutersalzen erweitert. Schließlich wurde die Ankelei (übrigens eine Ableitung des Namens von Ankes Lieblingspflanze, der Akelei) hochoffiziell zum zweiten Standbein der Rheinhessin befördert. Mittlerweile gibt es acht verschiedene Sorten Sirup und sechs Kräutersalze, die Ideen kommen mal durch Nachfrage zustande, mal inspiriert von der vielfältigen Flora Rheinhessens. Die handwerkliche Herstellung ist in den Produkten stets erkennbar. Anke nimmt eine Flasche Rosmarin-Sirup und hält sie gegen die Sonne. „In meinen Sirupen sind oft leichte Trübungen oder etwas Bodensatz enthalten. Das kommt daher, dass ich keine industriellen Filter verwende“, erklärt sie. Kurz aufgeschüttelt, ist der Schleier auch schon verschwunden. Der Bestseller aus der Ankelei ist der Glühweinsirup. Die Verwendungsmöglichkeiten sind vielfältig, wie Anke erläutert: Im Secco schmeckt er als Aperitif, im Nachtisch als weihnachtlicher Pfiff oder ganz klassisch im heißen Rotwein, für den leckeren Glühwein zuhause. Von ihren Kunden wird Anke oft nach Zubereitungstipps gefragt. Ihre Empfehlung: Ausprobieren und der Fantasie freien Lauf lassen!

Die Zutaten für die Produkte kommen zum Teil aus Ankes eigenem Kräutergarten, durch den sie mich nun führt. Es gibt ein Beet mit allerlei Küchenkräutern, Hochbeete mit Zitronengras und -verbene, Kübel mit Lavendel, Ringelblumen und Thymian. „Manchmal mähe ich nicht mal den Rasen, weil selbst hier noch so viel zu finden ist.“ Ein echtes Kräuterparadies, und dazwischen immer wieder: Die Akelei, die auch als Logo dient. Der andere Teil der Kräuter stammt aus anderen rheinhessischen Gärten, wo Anke zu üppig gewachsenes Grün vor der Biotonne rettet. Die Gartenbesitzer, die sich auf ihre Aufrufe melden, sind dankbar für die Großabnehmerin und bekommen als Dankeschön stets ein Glas Kräutersalz geschenkt.

Kaufen kann man die Sirupe und Salze in verschiedenen Hofläden, in Vinotheken und auf Wochen- und Weihnachtsmärkten. Was Anke aber immer wieder betont: Die Ankelei soll Genuss sein, vom Anbau über die Verarbeitung bis zum fertigen Produkt im Glas oder auf dem Teller. Regionale Rohstoffe, Nachhaltigkeit und auch ein Stück Selbstständigkeit und Autarkie sollen gefeiert werden. Reich möchte Anke nicht werden mit ihrer Ankelei.

Alle Produkte können per Mail unter ankelei@web.de bestellt werden. Außerdem bieten die Vinothek am Winzerkeller in Ingelheim, das „s´Fachl“ in Mainz, die Kartoffelmanufaktur Klein in Mainz Ebersheim und der Weinhof Schmitz in Ebersheim Sirupe und Salze aus der Ankelei an.

Mundart Gescherr, Dalheim (Anke Faust)

Passend zum Thema Genuss bin ich zuletzt noch auf Anke Faust und ihr Atelier Blattwerk gestoßen, wo allerlei sogenanntes „Mundart-Gescherr“ entsteht. Anke Faust ist studierte Illustratorin und arbeitet normalerweise an Illustrationen für Kinderbücher. Das bekannteste Werk mit ihren Zeichnungen: „Ein Schaf fürs Leben“. Sie zeigt mir eine Ausgabe des Buches und erzählt strahlend: „Damit haben wir damals den deutschen Jugendliteraturpreis gewonnen. Das ist sowas wie der Oscar für Kinderbücher.“ Man merkt sofort, wie viel Lebensfreude in ihrer Arbeit steckt, egal in welchem Bereich. Doch wie kam sie nun als gebürtige Nordrhein-Westfalin zum „rhoihessische Mundart-Gescherr“? Die Antwort, wie so oft: es kam eben eins zum anderen. Für ihr Studium ist Anke Faust nach Mainz gekommen und in Rheinhessen geblieben, zuerst viele Jahre in Nieder-Olm, anschließend in einem Örtchen zwischen Alzey und Worms. Schon bekannt für Ihre Arbeit, wurde ihr schließlich angeboten, einen Stand innerhalb der Trullo-Wanderung Flörsheim-Dalsheim mit Leben zu füllen. Da sie nicht nur Kunstdrucke, Postkarten und Zeichnungen präsentieren wollte, kam schnell die Frage auf: Warum sollte man sich als Künstler nur auf Papier beschränken? Die Geburtsstunde des Mundart-Geschirrs hatte geschlagen! Inspiriert von den Winzern der Region und den heimischen Köstlichkeiten und Spezialitäten, verzierte Anke Faust die ersten Teller, Schälchen und Tassen mit Sprüchen im rheinhessischen Dialekt und passenden Bildern. Der Gedanke: Alles, was man für den kulinarischen Teil einer Weinprobe braucht, sollte auf dem Geschirr Platz finden. Die Aufmerksamkeit ließ nicht lange auf sich warten: Bereits am Tag der Trullo-Wanderung informierte sich eine lokale Zeitung über das Projekt, das SWR-Fernsehen stattete einen Besuch im Atelier ab und schließlich schaffte das Geschirr es 2018 sogar zu einer Ausstellung im Landesmuseum.

„Meine Kunden schätzen vor allem die persönliche Betreuung und die Möglichkeit für Sonderanfertigungen. Deswegen ist auch der Standort hier in Dalheim so wichtig.“, erzählt Anke Faust. Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit: „Ich freue mich immer über Spezialaufträge! Es gab noch keine Illustration, die ich abgelehnt hätte: ein ganzes Haus zur Einweihung, London mit allen seinen Sehenswürdigkeiten…die Inspiration kann mir so nie ausgehen.“ Für die Gestaltung eines Geschirr-Teils braucht die Künstlerin ca. 2-3 Tage: Erst wird die schwarze Outline aufgebracht, diese wird mit Porzellanfarbe gefüllt, zwischendurch muss alles trocknen und schließlich kann dann alles gebrannt werden. Wer eine Spezialanfertigung in Auftrag sollte aber lieber etwas mehr Vorlaufzeit einkalkulieren, besonders in der Vorweihnachtszeit. Passend hierzu beginnt im Atelier auch bald schon die Produktion von Adventsgeschirr. Preislich beginnen die Stücke bei 6€ für kleine Schälchen und steigern sich von Tassen über Teller und Platten bis hin zur zweistöckigen Etagere für 38€. Bei Auftragsarbeiten kann der Preis je nach Aufwand noch etwas variieren, Anke Faust resümiert: „Das Wichtigste ist, dass meine Kunden selbst Spaß am Geschirr haben. Egal ob als Geschenk oder für den eigenen Haushalt, die Qualität muss überzeugen.“ Aus diesem Grund bezieht sie das Geschirr von einem Porzellanfachhandel in Deutschland.

In der Region ist das „Mundart-Gescherr“ im Atelier in Dalheim, bei „BiNO“ in Nieder-Olm, bei „Perro Negro“ in Worms und Eich und im „s´Fachl“ in Mainz erhältlich. Nähere Infos findet man jederzeit unter https://www.anke-faust.de/mundart-geschirr-und-mehr/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Verfasst von:

Ich bin in Wintersheim mitten in Rheinhessen großgeworden und als Winzerstochter schlägt mein Herz natürlich besonders für die Weine unserer Region. Für den Rheinhessen-Blog gehe ich mit noch interessierteren Augen und Ohren durch unsere Heimat. Seid Ihr dabei?

Unser Angebot

Ähnliche Beiträge ansehen

Melde dich für unseren Newsletter an