Wandern, Wein und Weltgeschichte: Ein Wochenende in Ingelheim

Inhaltsverzeichnis

Eine Reise ins Mittelalter

Wer Ingelheim besucht, muss die Kaiserpfalz gesehen haben! Karl der Große hat die mittelalterliche Palastanlage im späten 8. Jahrhundert erbauen lassen. Aufwendig restaurierte Überreste zeugen heute von der einstigen Pracht. Man kann die Kaiserpfalz entweder auf eigene Faust oder gemeinsam mit einem Stadtführer erkunden.

Ingelheim

Unsere Stadtführerin Irene Ahl begrüßt uns im Museum der Kaiserpfalz. Wir erhalten einen ersten Eindruck vom Leben Karls des Großen und der historischen sowie archäologischen Bedeutung der Stätte, die wir gleich zu Fuß entdecken werden. Ahl schwärmt von einer der größten Leistungen des Karolinger-Herrschers – von seiner Reisetätigkeit.

Karl der Große hat in seinem Leben gut 120.000 Kilometer zurückgelegt, was einer dreifachen Weltumrundung entspricht. Kein Wunder also, dass er überall in seinem Reich Pfalzen als Stützpunkte, Unterkünfte und Regierungssitze bauen ließ. Die Kaiserpfalz in Ingelheim zählte dabei neben denen in Aachen und Nimwegen zu den drei prächtigsten Pfalzen.

Ihre Überreste lassen das erahnen! Wir spazieren mit Irene Ahl mitten durch ein Wohnviertel in Nieder-Ingelheim. Zwischen Wohnhäusern und Spielplätzen stoßen wir immer wieder auf beeindruckende Ruinen der einstigen Kaiserpfalz. Eine spannende Symbiose zwischen Geschichte und Gegenwart!

Wir erfahren, dass die Kaiserpfalz im Laufe der Jahrhunderte mehreren mittelalterlichen Herrschern als Regierungsort diente. Sie alle haben ihre eigene Handschrift hinterlassen. Karl der Große etwa sah sich in der Tradition römischer Kaiser und ließ sich von antiken Palästen inspirieren. Die Ottonen fügten eine bedeutende Saalkirche hinzu und die Staufer verwandelten die Pfalz in eine burgartig befestigte Anlage.

Irene Ahls Lieblingsstelle innerhalb der Kaiserpfalz Ingelheim ist die bemerkenswerte Aula regia, der einstige Thronsaal Karls des Großen. In einem anderen Leben wäre unsere Stadtführerin gerne Prinzessin an seinem Hof, verrät sie augenzwinkernd. Den passenden Vornamen hätte sie schon, denn Irene wurde bereits im Mittelalter vergeben.

Das Heidesheimer Tor aus der Stauferzeit ist die letzte Station unseres Spaziergangs durch die Kaiserpfalz. Bis 2007 wurde hier noch daran gearbeitet, archäologische Befunde freizulegen und das Denkmal für Besucher aufzubereiten. Johann Wolfgang von Goethe wäre neidisch! Er wollte die Kaiserpfalz 1814 besichtigen und war enttäuscht, wie wenig von der einstigen Pracht sichtbar war. Wir hingegen sind ganz begeistert, wie viel wir hier entdecken und lernen konnten.

Auf der Mauer, auf der Lauer

Irene Ahl führt uns nun in Richtung Ober-Ingelheim. Nach dem Untergang der Kaiserpfalz entstand hier im Spätmittelalter ein neues Zentrum. Wir passieren einstige Stadttore und steuern schnurstracks auf die alte Burgkirche, die am besten erhaltene Wehrkirchenanlage im südwestdeutschen Raum, zu.

Sie gilt als kunsthistorisches Kleinod, das Pestmahnmal sowie die Marienfester sind besonders sehenswert. Die vielen alten Grabsteine vor der Kirche verleihen dem Ort eine fast schon mystische Stimmung.

Beeindruckend ist auch die ringsherum begehbare Wehrmauer aus dem 15. Jahrhundert, von der sich nochmals völlig neue Perspektiven auf die Burgkirche ergeben. Zum Abschluss klettern wir den markanten Malakoffturm hinauf. Hier oben wartet ein wunderschöner Blick auf das alte Ingelheim, das rheinhessische Hügelland und die Rheinebene.

Keine „Rotweinstadt“ ohne Weinprobe

Nach dem ausgiebigen Stadtbummel freuen wir uns ganz besonders auf den nächsten Programmpunkt. Am Ortsrand von Ober-Ingelheim, umgeben von Weinbergen und mit Blick auf die nahe Burgkirche liegt das Weingut Hamm. In der Vinothek begrüßt uns Anne Hamm zu einer kleinen Weinprobe.

Während wir Spitzenweine probieren, erzählt sie uns von der langen Ingelheimer Weinbautradition. Schon Karl der Große soll hier Burgunderreben angepflanzt haben. Und weil die Stadt – anders als viele andere Weinbauregionen in Rheinhessen – vorwiegend Rotwein hervorbringt, hat sich der Beiname „Rotweinstadt“ etabliert.

Einzig Goethe war vom Ingelheimer Rotwein enttäuscht. Nicht, weil er nicht gut war. Vielmehr waren bei seinem Besuch alle Fässer ausgetrunken, wie seine Aufzeichnungen verraten … Der Arme hatte anders als wir wohl wirklich keinen guten Tag in Ingelheim!

Die älteste Brauerei Ingelheims

Eigentlich rät das Sprichwort: „Bier auf Wein, das lass sein!“ Die Ausnahme dieser Regel ist für uns das Brauhaus Goldener Engel, in das wir zum Essen fahren. Ingelheim bringt nämlich nicht nur hervorragende Rotweine, sondern auch leckere Biere hervor.

Johannes Winkelser wollte seit der vierten Klasse Bierbrauer werden. Diesen Kindheitstraum erfüllte er sich über mehrere Umwege, indem er 2007 die „älteste Brauerei Ingelheims“ gründete. Wer in einer klassischen Weinanbauregion Bier brauen will, braucht Mut und Durchhaltevermögen. Auch er erntete in den Anfängen so manchen ungläubigen Blick, erinnert sich Winkelser. Inzwischen ist der Goldene Engel aus Ingelheim nicht mehr wegzudenken.

Wir genießen ein kühles Bier, die saisonale Küche und das Ambiente dieses besonderen Ortes. Das Brauhaus besticht durch offene, moderne Architektur. Das Herzstück, die Bierkessel, befinden sich mitten in Restaurant, sodass wir dem Braumeister bei der Arbeit zusehen können. Alte Ingelheimer Bilder zieren die Wände, auf denen sich der eine oder andere einheimische Gast schon wiedererkannt hat.

Typisch Ingelheim

Wir nächtigen im IBB Hotel Ingelheim und lernen damit einen weiteren spannenden Teil Ingelheims kennen: die „Neue Mitte“. Hier entstand in den letzten Jahren ein modernes Zentrum mit Geschäften, Cafés, Restaurants und der Kulturhalle KING.

Im gesamten Hotel wird das Thema Wein aufgegriffen. Sei es in der für Ingelheim typischen Burgunderfarbe der Polstermöbel, in den Teppichen mit Weinblatt-Muster oder in den traubenförmigen Lampen. Natürlich ist auch die Hotelbar mit den besten Weinen der Region bestückt.

Im Frühstücksraum hängen wunderschöne Fotografien aus Ingelheim und wir erkennen viele Orte wieder, die uns auf unserer gestrigen Stadtführung bereits begegnet sind. Von der Balkonterrasse blicken wir auf unser heutiges Tagesziel: den Ingelheimer Bismarckturm, der mitten in den Weinbergen über der Stadt thront.

Auf der Hiwweltour Bismarckturm

Für heute haben wir uns die Hiwweltour Bismarckturm vorgenommen. Der zertifizierte Prädikatsrundwanderweg führt durch das Naturschutzgebiet Gau-Algesheimer Kopf, hinab ins Welzbachtal und wieder hinauf zur berühmten Weinlage Hundertgulden.

Wir beginnen unsere Wanderung am Bismarckturm auf dem Westerberg, einem über 100 Jahre alten Aussichtsturm, der einst zu Ehren des ersten deutschen Reichskanzlers errichtet wurde. In 33 Metern Höhe bietet sich uns ein wunderschöner Ausblick auf die verschiedenen Stadtteile Ingelheims im Vorder- und das Rheingau im Hintergrund.

Der naturnahe Wanderweg durch Waldpassagen und Weinberge, über Weiden und entlang des idyllischen Welzbachs. Wir passieren die „Salamanderlöcher“, ein wichtiges Geotop, und genießen an den unterschiedlichsten Stellen immer neue Weitblicke. Vor allem aber genießen wir die Ruhe, die uns die gesamte Zeit über begleitet. Hier oben kann man wirklich Abschalten und trotz manchen Anstiegs wunderbar entspannen!

Eine historische Einkehr

Nach der gut dreistündigen Wanderung kehren wir nach Ingelheim zurück und gönnen uns im Weingut Wasem eine wohlverdiente Stärkung. Wir sitzen auf der Sommerterrasse inmitten des denkmalgeschützten Zisterzienserklosters Engelthal. Die historische Bausubstanz von 1290 verschmilzt nahtlos mit der modernen Architektur der Vinothek.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Kloster liegt das Weinhotel Wasem. Auch hier kann man wunderbar übernachten, wenn man in Ingelheim zu Besuch ist. Liebevolle Details wie das Weinfass-Mosaik im Frühstücksraum oder die Weinflaschen-Zimmernummern haben uns besonders gut gefallen, als wir einen kurzen Blick in den Neubau geworfen haben.

Wir kommen wieder

Alles in allem ging dieses Wochenende in Ingelheim am Rhein viel zu schnell vorbei. Wir werden sicherlich wiederkommen. Auf uns wartet noch der zweite Ingelheimer Prädikatsrundwanderweg, die Hiwweltour Westerberg mit Schloss Westerhaus, darauf entdeckt zu werden.

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