Dort wo einst Bahntrassen lagen, führt heute der Amiche Radweg von Bodenheim über Nierstein und Nackenheim. Die 33 km lange Rundtour verläuft durch schnuckelige Weinortschaften, sonnenverwöhnten Weinlagen und ist nicht nur für Bahnfans interessant. Auch auf den Spuren des rheinhessischen Schriftstellers Carl Zuckmayer begeben wir uns anlässlich des Zuckmayer-Themenjahres auf dieser Radtour.
Mein Servicetipp: Radfahren ohne eigenes Fahrrad: So funktioniert's in Laubenheim
Obwohl der offizielle Startpunkt der Route in Bodenheim liegt, starten wir im nahe gelegenen Laubenheim. Das hat einen ganz praktischen Grund: Wir besitzen nämlich keine eigenen E-Bikes. Gut, dass sich hier eine Radstation der Mainzer Mobilität befindet und Räder mit der meinRad-App einfach ausgeliehen werden können. Und so schnell geht es: Registrieren, Rad in der App auswählen, entsperren und losradeln. Wir entscheiden uns für zwei Pedelecs, mit 19 Euro pro Person für den ganzen Tag sehr erschwinglich. Wer mit dem Zug oder PKW anreist und seine Räder dabeihat, beginnt die Radtour am besten am Bodenheimer Bahnhof. Ausreichend Parkplätze sind vorhanden.
Einsteigen bitte! Hier kommt Bahnnostalgie auf
Ab Bodenheim folgen wir den Radwegbeschilderungen mit der kleinen Dampflock an weiten Reb- und Ackerflächen vorbei. Mit etwas Glück kann man hier den Winzern beim Rebenschnitt über die Schulter schauen.
In Gau-Bischofsheim stoßen wir auf das erste Relikt der damaligen Bahnstrecke Amiche, das Bahnhofsgebäude. Wie so viel Bahnhofsgebäude in Rheinhessen ist es unverkennbar an der rot-gelben Klinker-Fassade zu erkennen, die uns auf dem weiteren Weg noch öfter begegnen wird. Wo einst Fahrgäste auf Ihren Zug warteten, befindet sich heute eine Spiel- und Krabbelgruppe.
Nur wenige Meter weiter erinnern alte Bahngleise an die ehemalige Bahnstrecke, die erst 2017 freigelegt wurden.
Aber was hat es mit dem Namen Amiche nun auf sich? Woher der Name kommt, kann niemand genau sagen. Manch einer glaubt, dass es sich hierbei um ein französisches Überbleibsel handelt. So soll sich der Name Amiche von dem französischen Wort ami, also Freund, ableiten. Auch könnte eine Annemarie als Namensgeberin gedient haben. Fest steht jedenfalls, dass die Erschließung der Bahnstrecke wesentliche Vorteile mit sich brachte. Ob auch der berühmte rheinhessische Schriftsteller Carl Zuckmayer auf der Amiche unterwegs war? Wir nehmen es sehr stark an, schließlich wurde die Bahnstrecke in seinem Geburtsjahr 1896 eröffnet. Sie führte von Bodenheim bis nach Selzen; der Verlauf des Rdwegs ist zum Großteil identisch ist.
Dass wir uns auf einem ehemaligen Bahndamm befinden, merken wir wenig später zwischen Harxheim und Selzen daran, dass der Weg größtenteils geradeaus verläuft und wir einige Meter oberhalb der Felder fahren. Links und rechts ist der Weg durch die langsam sprießenden Bäume und Sträucher gesäumt, sodass wir das Gefühl haben durch einen grünen Tunnel zu fahren. Bei diesem herrlichen Frühlingstag ist übrigens einiges los. Egal ob Spaziergänger, Jogger oder Radfahrer: Die Rheinhessen nutzen das tolle Wetter für sportliche Aktivitäten.
Zeit für eine Pause bei Jordan´s Untermühle
Ungefähr nach einem Drittel der Strecke kommen wir an Jordan´s Untermühle in Köngernheim an. In dem wunderschön sanierten Fachwerkgehöft befindet sich neben dem Wellnesshotel auch eine Weinstube, ein Café und eine Bar. Perfekt für die erste Pause. Praktischerweise gibt es hier auch eine Rad-Service-Station mit verschiedenen Werkzeugen und einer Akkuladestation, falls die Reifen noch etwas mehr Luft brauchen oder eine Schraube nachgezogen werden muss. Nachdem wir die E-Bikes abgestellt und in der App abgeschlossen haben, genießen wir im gemütlichen Kaminzimmer ein erfrischendes Getränk. Dabei beobachten wir Fasane, die sich rund um das Grundstück tummeln. Hier lässt es sich gut aushalten. Gerne kommen wir wieder und legen beim nächsten Mal einen ganzen Wellnestag im hauseigenen Spa ein. Aber jetzt wollen wir weiter, denn wir haben noch einige Kilometer auf den Bahntrassen vor uns.
Zurück auf dem Amiche-Radweg treffen wir wenig später auf eine spannende Informationstafel. Diese unterrichtet uns darüber, dass es von Undenheim nach Nierstein früher eine weitere Nebenbahn gab, das sogenannte „Valentinche“. Irgendwie haben es die Rheinhessen mit ihren Kosenamen. An die Bahnstrecke erinnert ein Gedenkstein kurz vor Nierstein. Der Zugbetrieb wurde 1900 aufgenommen und nach 60 Jahren schon wieder eingestellt. Sogar einen prominenten Fahrgast transportierte die Bahn 1957, nämlich den ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Konrad Adenauer.
Zwischen Reben, Rhein und Zügen
Nachdem wir einige Kilometer an Feldern vorbei geradelt sind, erreichen wir in Nierstein endlich den Rhein. Hier ist einiges los: Etliche Radfahrer und Spaziergänger sind auf den Beinen und tummeln sich am Rheinufer. Wir halten kurz an und beobachten das bunte Treiben. Auf einer Infotafel erfahren wir, dass der noch vor uns liegende Abschnitt zwischen Nierstein und Nackenheim Teil des Rheinradweges Rheinhessen und der Rheinterrassenroute. Diese beiden Radwege heben wir uns für ein anderes Mal auf.
Weiter geht es zum Marktplatz, wo die Restaurants schon gut gefüllt sind. Wir sind mittlerweile auch ziemlich hungrig. Darum entscheiden wir uns beim Haxthäuser Hof einzukehren. Im Innenhof finden wir ein sonniges Plätzchen und lassen die bisherige Strecke bei einem Gläschen Wein und leckeren regionalen Speisen Revue passieren.
Gut gestärkt schwingen wir uns wieder auf die Sattel. Auf dem weiteren Verlauf erstrecken sich linkerhand von uns die Weinhänge, unter anderem die Weinlage Roter Hang. Diese ist für ihr einzigartiges Terroir bekannt, auf der Riesling-Reben besonders gut gedeihen und somit dem Wein einen ganz besonderen Geschmack verleihen. Rechts von uns verläuft dann die elektrifizierte Bahnstrecke zwischen Worms und Mainz auf der etliche Züge an uns vorbeifahren. Dampfbahnen so wie zur Zeit Zuckmayers gibt es hier schon lange nicht mehr. Für mich ist es auf alle Fälle der schönste Teil des Radweges.

Nackenheim – Heimat der Zuckmayers
Ein weiteres Highlight steht uns noch in Nackenheim bevor, für das wir allerdings den Radweg verlassen müssen. Dafür fahren wir in Richtung Ortsmitte. Nackenheim ist der Geburtsort Carl Zuckmayers. An einem wunderschönen blauen Fachwerkhaus, in dem sich heute unter anderem das Nackenheimer Standesamt befindet, wurde der Schriftsteller in Form einer Büste verewigt. Zufällig findet gerade eine Ortsführung statt, sodass wir der Gesellschaft noch etwas beiwohnen und den spannenden Geschichten zu Zuckmayer lauschen. Anlässlich der 100-jährigen Uraufführung seines Stücks Der fröhliche Weinberg finden 2025 viele Veranstaltungen rund um den bekanntesten Schriftsteller Rheinhessens statt. Darunter noch weitere Termine für eine Ortsführung durch Nackenheim am 19.07. sowie 20.09., Beginn jeweils 16 Uhr und eine Neuauflage des „Fröhlichen Weinbergs“ vor dem Nackenheimer Rathaus an 4 Terminen im Juni . Alle Events finden sich zum Nachlesen in der Broschüre „Alles Carl?“ oder auf den Veranstaltungsseite zum Jubiläumsjahr im Überblick.
Nur wenige Meter entfernt, zu Füßen der katholischen Kirche St. Gereon, liegt das kleine aber feine Ortsmuseum. Das Museum hat sonntags von 13 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt ist kostenfrei. Es besticht durch seine liebevolle Einrichtung, alles durch Ehrenamtliche betreut. Spannende Einblicke in den Alltag der Familie Zuckmayer gewährt die Dauerausstellung Die Zuckmayers – Eine Familie aus Rheinhessen. Von der Kapselfabrik des Vaters, über die Verfolgung der Nationalsozialisten bis hin zur Rückkehr nach Deutschland wird die Geschichte der Zuckmayers nachgezeichnet. Im Fokus steht natürlich Carl Zuckmayers mit seinem bekanntesten Werk Der fröhliche Weinberg. Noch heute wird die Carl-Zuckmayer-Medaille an Personen vergeben, die sich besonders um die deutsche Sprache bemühen. Die Ehrenträger sind auf der Wall of Fame in der Ausstellung verewigt. Wer sich für Zuckmayers Vita interessiert, sollte dem Museum unbedingt einen Besuch abstatten.
Fazit: Eine Tour für Genießer und Geschichtsliebhaber
Der Amiche Radweg ist nicht nur für Bahnenthusiasten spannend. Auf den 33 km wird euch einiges geboten: Gut ausgebaute Wege zum Teil auf den ehemaligen Bahntrassen mit weiteren historischen Highlights wie dem Ortsmuseum in Nackenheim. Außerdem erwarten euch viele Einkehrmöglichkeiten entlang der Strecke. Dabei darf ein Gläschen Wein vom Roten Hang natürlich auch nicht fehlen. Ob nun mit dem eigenen Bio-Fahrrad oder das Rad mit elektrischer Unterstützung – diese kurzweilige Tour verbindet bestens Bewegung mit Kultur und Genuss.
Hier geht’s direkt zu den Tourdaten.
Alle Infos zu Tourenplanung oder zum Radfahren in Rheinhessen findest Du auf unseren Radseiten im Reiseteil „Aktiv&Natur“.