Die mächtige Katharinenkirche, ein tiefes Keller-Labyrinth und schmucke Altstadtgassen: Es gibt viele Gründe, Oppenheim einen Besuch abzustatten. Jetzt feiert das Städtchen am Rhein das Jubiläum „1225 bis 2025 – 800 Jahre Stadtrechte“ mit einem facettenreichen Veranstaltungskalender. Dieser bündelt das ganze Jahr über neue Führungen, Ausstellungen und Events rund um Wein und Kultur. Gleichzeitig belebt das Festprogramm auch Traditionen und bewährte Angebote. Dies schafft viele weitere Anlässe, Oppenheim auf den Reise- oder Ausflugsplan zu setzen. Unsere Autorin Marina Noble, die selbst in der historischen Altstadt lebt, zeigt auf einem Streifzug, wo in der Stadt Geschichte lebendig ist und stellt das Festprogramm vor.
Historisch und bunt: Ein Spaziergang durch die Altstadt
Starten wir am von hübschen Fachwerkhäusern gesäumten Marktplatz: Hier am Mittelpunkt der Stadt geht´s meist bunt und fröhlich zu. Besonders an Wochenenden rasten Wanderer und Radler, die auf dem Rheinterrassen-Weg oder einer der Radrouten unterwegs sind. Auch den anderen Besuchern und Einheimischen schmeckt ein Glas Wein. Das gibt´s am Rathaus-Ausschank, den örtliche Winzer abwechselnd bewirtschaften, oder von den umliegenden Gastronomen. Andere genießen ein Eis oder stärken sich bei rheinhessischen, italienischen oder indischen Spezialitäten.
Gleichzeitig versprühen die historischen Häuser, Kirchen und Gassen der Altstadt historischen Charme – Geschichte liegt in der Luft. Vieles, das Ihr heute entdecken könnt, hat steht in Verbindung mit dem Jubiläum, das Oppenheim feiert. Beamen wir daher kurz 800 Jahre zurück: Anno 1225 verlieh Kaiser Friedrich II dem an wichtigen Handelswegen gelegenen Ort die Stadtrechte. Das brachte für die dann „Freie Reichsstadt Oppenheim“ wichtige Rechte und Freiheiten: eine Stadtmauer, Markt halten und Münzen prägen. Dies stellte die Weichen für die Stadtentwicklung und hat Spuren hinterlassen.
Im Rathaus war im 13. Jahrhundert die Münze untergebracht. Das hier geprägte Geld war übrigens nur in Oppenheim gültig. Aber es trug zur Blüte der Stadt bei. So wie heute an jedem Samstagvormittag kamen schon damals die Händler mit ihren Waren zum zentralen „Marktplatz“. Daran erinnert ein Stück Metall an der rechten Rathaus-Ecke: die Oppenheimer Elle, mit der Stoffe vermessen wurden. Jede Stadt hatte damals ihr eigenes Maß. Die Elle in Oppenheim ist 62 Zentimeter lang, mehr als die heutigen 50 Zentimeter dieser Maßeinheit. Wir waren schon immer großzügig, schmunzeln die Einheimischen.
Schädelspalter im Untergrund - vom Jüngling zum Greis an der Katharinenkirche
Das sogenannte Stapelrecht verpflichtete die Händler, ihre Waren mindestens einen Tag lang in der Stadt zu verkaufen. Also benötigten sie Lagerraum in Kellern – einer der Grundsteine für die wohl wichtigste Sehenswürdigkeit: Unter der gesamten Altstadt erstreckt sich heute ein weitverzweigtes, unterirdisches Labyrinth bis zu fünf Stockwerke tief. Rund 650 Keller sind erschlossen und es werden immer noch Weitere entdeckt. Mehrmals täglich gibt es spannende Führungen in die „Stadt unter der Stadt“ zum „Friedhof der Nachttöpfe“ oder dem „Schädelspalter“. Tickets bekommt Ihr in der Tourist-Info oder online. An den Zugängen kommt Ihr auf dem Weg zur Katharinenkirche vorbei.
Auch die Katharinenkirche, der bedeutendste gotische Sakralbau zwischen Straßburger Münster und Kölner Dom, ist den Stadtrechten zu verdanken. Mit dem mächtigen, von weitem sichtbaren Gotteshaus wollten die Stadtbürger ihr Selbstbewusstsein zum Ausdruck bringen. Das von verschiedenen Stilepochen – von romanisch bis spätgotisch – geprägte Monument feiert daher in diesem Jahr ebenfalls sein 800. Jubiläum mit Gottesdiensten und Konzerten. Schaut an der Südseite nach oben: Seht Ihr die Köpfe, die das Altern eines Mannes vom Jüngling bis zum Greis darstellen? Und darüber Rosen in Entwicklung von der Knospe zur Blüte?
Auch in die Kirche hinein solltet Ihr gehen. Der Innenraum wirkt erstaunlich hell. Für diesen Effekt sorgen die kunstvollen Fenster. Besonders bekannt ist die Oppenheimer Rose. Dieses filigrane Fenster zeigt im Grundriss einer Heckenrose und in den kräftigen Farben der Gotik (gold, rot, blau) das Wappen der freien Reichsstadt Oppenheim und der damaligen Ratsfamilien. Neben den Zeichen von Adeligen stehen gleichberechtigt die von Bürgern – in der damaligen Zeit nicht selbstverständlich.
Streitbare Bürger und Panoramablick von der Landskron
Ihre Rechte in der Stadtverwaltung erstritten sich die Bürger auch, indem sie mehrmals die Burgruine Landskron ein Stück über der Stadt stürmten. Diese ehemalige Reichsburg wäre wohl ebenfalls nicht ohne die Stadtrechte entstanden, denn sie diente auch dem Schutz der Händler. Heute solltet ihr Euch die kleine Wanderung nach oben nicht entgehen lassen – ein wunderbarer Panoramablick belohnt für den Anstieg.
Eine Schutzfunktion hatte auch die steinerne Stadtmauer. Von den ursprünglich 16 Türmen und neun Toren sind heute noch einige erhalten. Markant ist das quadratische Gautor, das zum „Gau“, dem rheinhessischen Hinterland, führt. Es wurde früher unter anderem als Gefängnis, und dann lange wenig genutzt. Zum Stadtjubiläum erwacht das Gautor zu neuem Leben als Räumlichkeit für Ausstellungen und Veranstaltungen.
Gestern, heute, morgen: Festkalender voller Entdeckungen, Geschichten und Begegnungen
Apropos Veranstaltungen – davon gibt es zum Stadtrechts-Jubiläum eine breite Palette: „Mit einem reichhaltigen Angebot machen wir gestern spürbar und schauen gleichzeitig auf heute und morgen. Für Besucher und Einheimische schaffen wir damit ein Jahr voller Entdeckungen, Geschichten und Begegnungen“, bringt Stephan Arnold, als 1. Abgeordneter der Stadt Oppenheim auch für Kultur und Tourismus zuständig, die Ziele auf den Punkt. In den Mittelpunkt rücken dabei oft persönliche Geschichten und Anekdoten. Es soll spielerisch und mit Event-Charakter zugehen. Dafür hat die Stadt auch ihre Vereine, Winzer, Institutionen wie die VHS und die Partnerstädte ins Boot geholt. Die zahlreichen Sonder-Veranstaltungen und -Führungen fasst der Programm-Flyer zusammen. Zudem sind alle Informationen dazu auf der Website der Stadt abrufbar
Einige Highlights:
- Kostümführung: „Zeitreise“ durch die Geschichte Oppenheims“: Eher ein Schauspiel als eine Führung ist diese Reise aus der Jetzt-Zeit zurück in das Jahr der Stadtgründung. Historische Figuren begleiten zu verschiedenen Stationen in der Altstadt. Dabei erzählen sie über ihr Leben und ihre Zeit. Termine: Sa 5. Juli, Sa 2. August, Sa 6. September. Das neue Angebot ergänzt die Beginen- und Nachtwächter-Kostümführungen.
- Stadtführung: Mit dem E-Bike Oppenheim und die Umgebung entdecken: Am Marktplatz startet die zweistündige, geführte Tour mit dem eigenen E-Bike. Sie führt auch in die Weinberge und zu Sehenswürdigkeiten außerhalb der Stadt, wie dem berühmten Krötenbrunnen. Verschiedene Termine ab Juni.
- Literarisch-musikalischer Sparziergang mit dem Trio Spätlese durch die Gassen der Altstadt. An verschiedenen Stationen gibt es Lesungen und musikalische Darbietungen. Dafür gingen die Interpreten extra auf Spurensuche nach alten Oppenheimer Liedern. Termine: So 29. Juni, So 6. Juli
- Großer Festumzug: Zur Eröffnung des beliebten Weinfests rund um den Marktplatz (8. bis 11. August) belebt das Jubiläum die verlorengegangene Tradition des Festumzugs. Als Teilnehmer werden neben verschiedenen Vereinen auch Fahnenschwinger und Küfer erwartet.
- Ausstellung „Oppenheim im Wandel der Zeit“ im Gautor: Diese ermöglicht Einblicke in die Stadtentwicklung von gestern, heute und morgen (ab November). Weitere Ausstellungen und Veranstaltungen in dem historischen Stadtturm sollen folgen.
Einige der weiteren Angebote, welche die bewährten Kulturveranstaltungen, Märkte und Feste Oppenheims ergänzen: Die Kirchenführung „800 Jahre St. Katharinen Oppenheim“; das Event mit elektronischer Musik „Rotes Rauschen“ in der Burgruine Landskron; Genusskultur: Weinprobe im Weinbaumuseum; Jubiläumsweinprobe im Deutschen Weinbaumuseum mit Erklärungen und Verkostungen auch zu alten Weinlagen; ein Poetry Slam, bei dem Künstler mit ihren Gedichten um die Gunst des Publikums kämpfen; sowie Theateraufführungen des AHA-Theaters mit eigens für das Jubiläum kreierten Episoden zur Geschichte Oppenheims
Jubiläums-Genuss zum Mitnehmen: Weinedition mit Künstler-Etiketten
Zum Jubiläum bringen die Oppenheimer Winzer eine Jubiläumswein-Edition heraus. Geschnürt als zwei Weinpakete von jeweils drei Flaschen Weiß- oder Rotweinen kommen die guten Tropen bei Veranstaltungen zum Ausschank oder können in der Tourist-Info gekauft werden (ab Weinfest). Die speziellen Jubiläumsetiketten gestalten Künstlerinnen und Künstler aus Rheinhessen.
Geschichte zum Blättern: Neue Stadtchronik
In diesem 300 Seiten starken Buch beleuchten Geologen, Archäologen, Kunst- und Kirchenhistoriker sowie Bauforscher die Oppenheimer Geschichte neu. Deren Texte ergänzen zahlreiche Illustrationen und Fotos. Erhältlich ist die vom Geschichtsverein herausgegebene Chronik im Oppenheimer Buchhandel